Warum zieht sich Karoline Edtstadler als Ministerin zurück?

ÖVP

Die aktuelle Verfassungsministerin Edtstadler hat angekündigt, sich aus der ersten Reihe der Politik zu verabschieden und eine Anwaltskanzlei zu eröffnen. Ihr Nationalratsmandat behält sie. Was ist da los in der ÖVP?

Eine grinsende Edtstadler vor einer Österreich-Fahne.
Karoline Edtstadler (ÖVP), gebürtige Salzburgerin, will in ihr Bundesland zurückkehren.
APA / MAX SLOVENCIK

Wien – Ihr Schritt kam für fast alle in der Volkspartei überraschend. Kaum jemand hatte damit gerechnet – vor allem nicht zu diesem Zeitpunkt. Lediglich in ihrem direkten Umfeld sagen manche, man habe es sich schon denken können: Karoline Edtstadler hat angekündigt, sich aus der ersten Reihe der Politik zurückzuziehen. Darüber informierte sie am Samstag die Kronen Zeitung, danach verbreitete sich die Nachricht schnell.


Die 43-Jährige habe vor, in Salzburg eine Anwaltspraxis zu eröffnen, ihr Nationalratsmandat werde sie behalten, das bestätigt ihr Sprecher auch dem STANDARD. Doch: Für ein Regierungsamt steht sie aktuell nicht mehr zur Verfügung. Es handle sich um eine “höchstpersönliche Entscheidung”, heißt es aus ihrem Büro.


“Das starke Ergebnis bei den Nationalratswahlen, das ich in Salzburg bekommen habe, sehe ich als Auftrag, die Interessen meines Bundeslandes in den kommenden fünf Jahren als Abgeordnete zum Nationalrat mit vollem Einsatz zu vertreten”, wird Edtstadler in der Kronen Zeitung zitiert. Es sei ihr allerdings auch ein Anliegen, wirtschaftlich unabhängig zu sein. Das sei gerade für Politiker “enorm wichtig, um freier entscheiden zu können”, erklärte sie ihren Schritt, eine Kanzlei zu eröffnen.


Kein gutes Verhältnis zu Nehammer

Tatsächlich ist die Entscheidung in ihr wohl über einen längeren Zeitraum gereift, ist aus der ÖVP zu hören. Edtstadler und Bundeskanzler Karl Nehammer pflegen schon seit geraumer Zeit kein besonders gutes Verhältnis. Es kam immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten, die Bestellung des EU-Kommissars war dann “besonders schmerzhaft für sie”, wie es ein Türkiser formuliert.


Edtstadler hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie gerne EU-Kommissarin geworden wäre. Als Juristin mit langjähriger Regierungserfahrung galt sie auch als bestens geeignet für den Job. Nehammer entschied sich jedoch für Finanzminister Magnus Brunner.


Zuletzt gab es in Edtstadlers Umfeld gar Zweifel, ob Nehammer sie überhaupt noch einmal in seine nächste Regierungsmannschaft holen würde. Dann wurde sie jedoch ins türkise Kernteam für die Regierungsverhandlungen bestellt – das deuteten in der ÖVP viele als Zeichen, dass er ihr sehr wohl auch ein Ministeramt anbieten dürfte. Edtstadler soll mit dem Innenministerium sowie auch dem Justizministerium geliebäugelt haben. Jetzt zieht sie sich selbst zurück. Sie wolle Nehammer allerdings für die laufenden Koalitonsgespräche mit der SPÖ sowie den Neos beziehungsweise den Grünen noch zur Verfügung stehen.


Nächste Station Landeshauptfrau?

Edtstadler hat in der ÖVP keine klare Machtbasis, sie konnte sich in ihren Jahren in der Spitzenpolitik jedoch als Marke etablieren – vielen galt sie als das weibliche Gesicht der Bundespartei. Im türkisen Regierungsteam war sie die ambitionierteste Ministerin. Ihr faktischer Zuständigkeitsbereich war als Ressortzuständige für Verfassung und Europa überschaubar, schließlich gibt es auch eine Justizministerin sowie ein Außenressort. Edtstadler fiel dennoch regelmäßig auf, gab sich als Gegenspielerin der grünen Ministerinnen Alma Zadić und Leonore Gewessler.


Immer wieder stand zur Debatte, ob sie wohl daran arbeite, irgendwann die ÖVP zu übernehmen. Im Umfeld von Nehammer kam das weniger gut an.


Edtstadler ist Salzburgerin, arbeitete dort drei Jahre als Richterin, ehe sie 2011 ins Justizministerium in die Strafrechtssektion unter dem mittlerweile verstorbenen Christian Pilnacek wechselte. Wieder drei Jahre später wurde sie persönliche Referentin im Kabinett des von der ÖVP nominierten Justizministers Wolfgang Brandstetter. Seit 2015 ist sie formal Oberstaatsanwältin bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, wo sie karenziert ist. Ob Edtstadler nun auch aus dem Staatsdienst ausscheidet, ist vorerst unklar.


Nun möchte die Mutter eines Sohnes wieder in ihr Bundesland zurückkehren, in dem auch ihre Familie lebt. Manche fragen sich, ob sie nun vielleicht Landeshauptfrau werden will und könnte. In Salzburg wird der 68-jährige Landeshauptmann und ÖVP-Landeschef Wilfried Haslauer schließlich irgendwann sein Amt übergeben. Allerdings gibt es in Salzburg bereits einen designierten Nachfolger Haslauers: Stefan Schnöll, dem auch Edtstadler bereits ihre Unterstützung zugesagt hat.


Keine Zusammenarbeit mit Kickl

In die Spitzenpolitik war Edtstadler im Jahr 2017 gewechselt – damals in die Regierung Kurz I als Staatssekretärin im Innenministerium von Herbert Kickl, der heute die FPÖ anführt. 2019 wechselte sie kurzzeitig ins EU-Parlament, bevor sie dann 2020 als Kanzleramtsministerin mit den Themen Verfassung und Europa angelobt wurde. Edtstadler galt von Beginn an als Mitte-rechts-Politikerin mit Hang zu Law and Order. Auch sie hat in den vergangenen Monaten jedoch immer wieder betont, dass eine nochmalige Regierungszusammenarbeit mit Kickl für sie nicht vorstellbar sei – diese Positionierung Nehammers trug sie mit.


Der ÖVP-Chef bedankte sich am Sonntag via X für den “großen Einsatz und die gemeinsame Arbeit für Österreich”. Edtstadler habe ihn am Samstag über ihre Entscheidung informiert, schrieb Nehammer in seinem Posting. “Selbstverständlich respektiere ich diese höchstpersönliche Entscheidung.” (Katharina Mittelstaedt, 3.11.2024)

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