Zahnärztekammer lehnt “nachgebessertes” Angebot der ÖGK zu Füllungen ab
Mundheilkunde
Die Standesvertretung sieht keine Verbesserungen und verweigert weitere Verhandlungen rund um die Nachfolge für Amalgam-Füllungen
Wien – Im Streit um die Nachfolge von Amalgam-Füllungen ist weiterhin keine Einigung absehbar. Andreas Huss, Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse, will der Zahnärztekammer am Mittwoch zwar ein “nachgebessertes Angebot” übermittelt haben. Doch die Standesvertretung der Zahnärztinnen will von einer Verbesserung nichts wissen. Sie sieht weiterhin keine Grundlage für Gespräche. Die Kammer hatte ja in der Vorwoche die Verhandlungen abgebrochen (DER STANDARD berichtete).
Aus Sicht der Kammer stellt das Angebot “keine Verbesserung dar, sondern enthält exakt die von Herrn Huss über die Medien publizierten Vorschläge, die zum Abbruch aller Verhandlungen geführt haben”, heißt es in einer Stellungnahme an den STANDARD. Erst wenn die ÖGK ein Angebot vorlegt, “welches im wirtschaftlichen Sinn akzeptabel ist”, sei die Zahnärztekammer bereit, die Verhandlungen wieder aufzunehmen.
Privathonorare als “Querfinanzierung”
Es geht darum, mit welchem Material Zahnärzte ab 2025 Löcher stopfen. Bisher passiert das noch sehr oft mit Amalgam, doch der quecksilberhaltige Stoff ist ab Jänner EU-weit verboten. Die ÖGK bringt als kassenbezahlte Alternative mit Alkasit einen Stoff ins Spiel, der erst seit 2021 zugelassen ist. Die Kasse sagt, sie verwende ihn seitdem erfolgreich in ihren Zahngesundheitszentren. Die Kammer hingegen favorisiert Glasionomer-Zement, der schon jetzt bei Kindern und Schwangeren verwendet wird, aber wesentlich schlechter haltbar ist.
Dabei geht es den Zahnärztinnen aber auch um Privathonorare. Weiße Füllungen als Amalgam-Alternative müssen aktuell privat bezahlt werden. Sie würden schlecht oder gar nicht dotierte Leistungen “querfinanzieren”, argumentiert die Kammer. Zahlt die Kasse nun schöne, stabile Füllungen, entfalle den Zahnärzten eine Einkommensquelle.
Monopol-Hersteller
Auf Nachfrage wollte Huss am Mittwoch nicht öffentlich sagen, wie das ÖGK-Angebot an die Kammer ausschaue, “sonst haben die wieder einen Grund, die Verhandlungen abzubrechen”. Es gebe nun einen Tarif für Füllungen verschiedener Dimensionen, “und der Zahnarzt entscheidet, welches Material er verwenden möchte”. Selbst das sieht die Zahnärztekammer allerdings anders: “Im Angebot der ÖGK ist klar festgelegt, welches Material für welche Art von Füllung verwendet werden muss.”
Ein Kritikpunkt am ÖGK-Favoriten Alkasit ist ein wirtschaftlicher: Aktuell gibt es nur einen einzigen Hersteller, Zahnmedizinerinnen fürchten deshalb hohe Preise infolge des Monopols. Huss bietet als Lösung einen gemeinsamen Einkauf über die ÖGK an, um dem eine entsprechende “Marktmacht” entgegenzustellen.
Neues Material in Arbeit
Andreas Schedle, Füllungsspezialist von der Med-Uni Wien, erklärte im Auftrag der ÖGK, dass es kein Material gebe, das so ideale Eigenschaften wie Amalgam aufweise. Alle Alternativen bedeute für Zahnärztinnen und Zahnärzte einen Mehraufwand, weil sie beim Hartwerden schrumpfen, statt sich wie Amalgam auszudehnen. Alkasit weise aber eine ausreichende Biegefestigkeit auf und kann in einem Schwung ins Loch gefüllt werden. Die Kritik einiger Zahnärzte, dass der Stoff nicht für sämtliche Einsatzgebiete von Amalgam geeignet ist, kann er nicht nachvollziehen.
Das Problem mit dem Amalgam-Ersatz könnte aber mit der Zeit auf andere Art gelöst werden. “Alle großen Hersteller arbeiten an Materialien, die als Alternative zu Amalgam eingesetzt werden können”, sagt Schedle. Den aktuellen Streit wird das allerdings nicht lösen. ÖGK-Obmann Huss ist zuversichtlich, dass man sich trotz allem bis Jahresende mit der Kammer einigen können wird. (Sebastian Fellner, 13.11.2024)
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