Blaue Attacken und harte Repliken in Richtung Kickl im Hohen Haus: “Es will Sie niemand”

Nationalratssitzung

Als nunmehr stärkste Fraktion rechnete die FPÖ im Parlament mit der “Einheitspartei” ab. Die Angesprochenen ließen das nicht auf sich sitzen – winkten am Ende aber eine blaue Personalie durch

Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer (links im Bild) und FPÖ-Chef Herbert Kickl am Mittwoch im Parlament.
APA/HELMUT FOHRINGER

Das Hohe Haus ist nun blauer: Dass die FPÖ die stärkste Fraktion im Parlament ist, machte sich am Mittwoch erstmals so richtig bemerkbar. An jenem Tag, an dem die Parlamentarier nach ihrer Angelobung am 24. Oktober zu ihrer ersten “echten” Arbeitssitzung zusammengekommen waren. Der vor einem Monat zum Nationalratspräsidenten gewählte Freiheitliche Walter Rosenkranz führte erstmals von Beginn an den Vorsitz in einer Sitzung. In den Debatten haben nun die blauen Mandatarinnen und Mandatare das Anrecht, als Erste das Wort zu ergreifen. Außerdem war die FPÖ als erste Fraktion am Zug, ein Thema für die Aktuelle Stunde vorzugeben – und damit den Beginn der Sitzung einzuläuten.


Diese nutzten die Freiheitlichen zum Auftakt auch gleich für eine Abrechnung gegen die noch im Amt befindliche Regierung und einen Rundumschlag gegen die mögliche künftige Dreierkoalition. Michael Schnedlitz kassierte einen Ordnungsruf nach seinem Vorwurf, dass die anderen Fraktionen während der Corona-Pandemie versucht hätten, “das Parlament auszuschalten”. Thema war auch die angespannte Wirtschaftslage in Österreich, für die der FPÖ-Mandatar Hannes Amesbauer mit Türkis-Grün schnell die Schuldigen ausgemacht hatte. Auch eine “Austroampel der Wahlverlierer” wäre nicht imstande, eine Trendwende herbeizuführen. Ganz ohne Wahlkampftöne kam diese Aktuelle Stunde angesichts der am Sonntag bevorstehenden Landtagswahl in der Steiermark auch nicht aus. Und so appellierte der Steirer Amesbauer schließlich auch, mit einer Stimme für die FPÖ ein Veto gegen dieses “Verlierertrio” – gemeint waren ÖVP, SPÖ und Neos, die gerade dabei sind, eine Regierung zu zimmern – einzulegen.


Blaue “Wehleidigkeit”

Der Redebeitrag ihres blauen Vorredners bot schließlich der SPÖ-Abgeordneten Michaela Schmidt, die bei den Koalitionsverhandlungen den Bereich “Wirtschaft und Infrastruktur” verhandelt, eine Steilvorlage. Es brauche auch deshalb eine “Koalition der konstruktiven Kräfte”, weil die FPÖ keinesfalls in Verantwortung für Steuergelder kommen dürfe. Denn “wenn ihr doch einmal mit Steuergeldern umgehen müsst, landet es überall, aber sicher nicht beim kleinen Mann”, sagte sie im Hinblick auf den Finanzskandal der steirischen FPÖ.


Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger attestierte der FPÖ schließlich noch “Wehleidigkeit”, weil es Parteichef Herbert Kickl “nicht gelungen ist, Gespräche zu führen, um eine Mehrheit zustande zu bringen”. Tatsächlich beklagte Kickl in einer späteren Debatte, dass er in Sachen Regierungsbildung nicht zum Zug gekommen ist. Für ihn komme dies einer “Missachtung des Wahlergebnisses” gleich. Die Replik von Generalsekretär Christian Stocker (ÖVP) ließ dann auch keinen Interpretationsspielraum zu: “Nehmen Sie zur Kenntnis, es will Sie niemand”, sagte er in Richtung Kickl.


Misstrauensantrag abgeschmettert

Mit ihrem Ansinnen, die noch im Amt befindliche türkis-grüne Regierung mittels Misstrauensantrags aus dem Amt zu jagen, blieb die FPÖ schließlich wenig überraschend allein auf weiter Flur. Der Antrag wurde von allen anderen Parteien abgeschmettert.


“Wir vertrauen der Bundesregierung, aber wir misstrauen zutiefst Herbert Kickl und seiner FPÖ”, sagte Stocker. Die geschäftsführende grüne Klubobfrau Sigrid Maurer sah die freiheitliche Initiative im “gekränkten Stolz von Herbert Kickl” begründet, “weil er es nicht geschafft hat, eine Regierungsmehrheit zusammenzubringen”. Schlichtweg aus dem Grund, dass “alle anderen Parteien Herbert Kickl misstrauen, und das mit gutem Grund”. Das Einzige, das die “Einheitspartei” zusammenhalte, sei der Kleber, mit dem Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf seinem Sessel sitze, ätzte wiederum FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker im Zuge der Debatte zum Misstrauensantrag.

Am Mittwoch trafen sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu ihrer ersten “echten” Arbeitssitzung.
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In seiner Erklärung anlässlich der Ernennung von Gunter Mayr zum interimistischen Finanzminister – dieser war Mittwochfrüh von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt worden – versprach Nehammer jedenfalls, dass es sein Ziel sei, eine “handlungsfähige Bundesregierung zu bilden”.


Im Anschluss daran entspann sich eine emotionale Diskussion über die Budgetpolitik der scheidenden Regierung und die Frage, wie sich die Koalitionsverhandler eine Sanierung der maroden Staatsfinanzen vorstellen. Hier liegen die Vorstellungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos bekanntlich weit auseinander. SPÖ-Chef Andreas Babler dachte im Zuge seines Redebeitrags laut über seine im Wahlkampf versprochenen Steuern für Vermögende nach: “Breitere Schultern sollten mehr tragen als schwächere Schultern”, sagte er. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger entgegnete prompt: “Es muss aber auch ausgabenseitig etwas getan werden.”


Wahl der Volksanwältin

Die von der FPÖ nominierte Elisabeth Schwetz wurde zur Volksanwältin gewählt.
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Unterstützung bekamen die Freiheitlichen schlussendlich im Zuge des letzten Punktes auf der Tagesordnung. Weil Nationalratspräsident Rosenkranz zuvor Volksanwalt auf blauem Ticket war, wurde in der dreiköpfigen Volksanwaltschaft ein Posten vakant. Am Mittwoch wurde schließlich die von der FPÖ dafür nominierte Kandidatin Elisabeth Schwetz mit den Stimmen von FPÖ, ÖVP, SPÖ und Grünen für die nur noch bis Juni 2025 andauernde Amtsperiode in die Funktion gewählt. Allerdings äußerten Neos und Grüne Kritik am Bestellmodus insgesamt, der zu wenig transparent und zu wenig qualitativ sei.


Die 42-jährige Juristin Schwetz ist seit 2018 Bezirkshauptfrau von Wels-Land und hatte zuvor an unterschiedlichen Stellen als Mitarbeiterin der FPÖ gearbeitet. Bevor die blaue Volksanwältin in spe in der Volksanwaltschaft mögliche Missstände in der Verwaltung prüfen und Rosenkranz’ Agenden – darunter Polizei-, Fremden- und Asylrecht, Wahlrecht, Denkmalschutz, Landwirtschaft sowie Umweltschutz – übernehmen kann, muss sie aber noch vom Bundespräsidenten angelobt werden. (Sandra Schieder, 20.11.2024)


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