Streit um Beamtengehälter spaltet ÖVP, SPÖ und Neos – Parteispitzen führten klärendes Gespräch

Koalitionsverhandlungen

Nehammer, Babler und Meinl-Reisinger sollen am Nachmittag zusammentreffen und das weitere Vorgehen besprechen. Die Neos könnten im Parlament gegen ihre Verhandlungspartner stimmen

ÖVP-Chef Karl Nehammer (Mitte), der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler (links) und Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger erleben bereits ihren ersten Knatsch.
REUTERS/Elisabeth Mandl

Es ist noch nicht einmal eine Woche her, dass ernsthafte Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos gestartet sind, schon gibt es erste Verstimmungen – auf allen Seiten. Mittwochnachmittag trafen sich ÖVP-Chef Karl Nehammer, der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler und Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, um ein klärendes Gespräch zu führen. Die Verhandlungen würden nicht kurz vor dem Abbruch stehen, erzählen Beteiligte, doch es laufe “mühsam”, hieß es im Vorfeld. “Wir machen Fortschritte”, wurde in einem gemeinsamen Statement nach dem Treffen erklärt. Die Verhandlungen seien von einem klaren Ziel geprägt, der Bildung einer “tragfähigen und stabilen Koalition”.


Begonnen hat der Knatsch bereits Anfang der Woche, als die Neos eine mediale Offensive starteten und dabei ÖVP sowie SPÖ “ganz alte Politik” vorwarfen. Grund dafür ist die Zusammensetzung des Verhandlungsteams in der Gruppe “Medien”, in der auch Stiftungsräte des ORF sitzen. Die seien dadurch befangen, kritisieren die Liberalen. Die öffentliche Schelte kam wiederum bei den anderen Verhandlern wenig gut an. In einer gemeinsamen Sitzung sollen die Neos gerügt worden sein. “Die Leaks aus der Mediengruppe sind bei uns nicht gut angekommen, aber das wird nicht kriegsentscheidend sein”, sagt ein Verhandler. Nachsatz: “Wenn das jetzt nicht dauernd so weitergeht.”


Neos: “Überrascht, enttäuscht, erbost”

Am Dienstag wurde dann der Gehaltsabschluss für Beamtinnen und Beamte verkündet – sehr zum Ärger der Neos und ohne deren Einbindung. Öffentlich Bedienstete sollen nun durchschnittlich um 3,5 Prozent mehr Gehalt bekommen. Darüber hinaus wurde auch gleich eine Erhöhung für das Folgejahr beschlossen: um 0,3 Prozent über der Inflation. Aus Sicht der Neos ist das angesichts der dramatischen budgetären Lage in Österreich “ein bisserl viel”.

Video: Neos “erbost” über Gehaltsabschluss der Beamten.
DER STANDARD

Neos-Tourismussprecher Josef Schellhorn erklärte prompt, er sei “einigermaßen überrascht, irgendwie enttäuscht und ein wenig erbost”. Die Neos, stellte er klar, seien “kein Beiwagerl” von ÖVP und SPÖ. Man hätte sich Einbindung erwartet. Verhandelt wurden die Beamtengehälter von Grünen-Chef und Noch-Beamtenminister Werner Kogler, Finanzminister Gunter Mayr sowie Gewerkschaftsvertretern von ÖVP und SPÖ.


In Bezug auf die Beamtengehälter droht die nächste Eskalation in zwei Wochen. Denn damit der Beschluss wirksam wird, braucht es noch eine Bestätigung durch den Nationalrat, am 11. Dezember findet die nächste Sitzung statt. Die aktuellen Koalitionsparteien ÖVP und Grüne haben im Parlament keine Mehrheit mehr, angesichts der sozialdemokratischen Beteiligung auf Gewerkschaftsseite wird allerdings die SPÖ bei dem Vorhaben mitstimmen. Fraglich ist, wie sich die Neos verhalten.


“Da geht es ums Eingemachte”

Aus Verhandlerkreisen ist zu hören, dass sich ÖVP, SPÖ und Neos bereits darauf geeinigt hätten, sich im Nationalrat nicht mehr zu überstimmen. Eine Zustimmung der Neos zu den Beamtengehältern sei aber schwer vorstellbar, ist von liberaler Seite zu hören. In der Partei sei man weiterhin “ziemlich verstimmt”, heißt es.


Mittwochnachmittag sollen nun die Parteispitzen zusammentreffen und sich aussprechen. Aus der ÖVP ist zu hören, dass die Neos den Verhandlungen grundsätzlich “sehr guttun”. Konservative wie auch Liberale würden auf einen schnellen Abschluss drängen. Mit einer Einigung vor Weihnachten rechnet allerdings kaum jemand. “Es wird jetzt länger nichts zu verkünden geben, da muss man die eigenen Leute auch etwas bei Laune halten”, sagt ein Verhandler mit Verständnis in Richtung Neos.


Tatsächlich müssen die Liberalen – anders als ÖVP und SPÖ – einen Koalitionsvertrag am Ende all ihren Mitgliedern zur Abstimmung vorlegen. Die pinke Basis müsste mit Zweidrittelmehrheit zustimmen.


Es soll aber auch intern in machen Verhandlungsgruppen ziemlich knirschen – insbesondere in den Untergruppen eins und zwei, in denen die Themen “Wirtschaft und Infrastruktur” sowie “Inflation und Wohnen” behandelt werden. “Da geht es ums Eingemachte”, heißt es aus Verhandlerkreisen. Die SPÖ beharre auf vermögensbezogenen Steuern, ÖVP und Neos halten in Allianz dagegen und wollen stattdessen die Lohnnebenkosten senken. Beide Seiten hätten sich “einbetoniert”, wirft jede Seite der jeweils anderen vor. (Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstaedt, 27.11.2024)


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