Zivildiener arbeiten im Wert von 357 Millionen Euro und machen oft ehrenamtlich weiter
Ersatzdienst
Eine Studie im Auftrag des Kanzleramts zeigt ökonomische Effekte des Dienstes – eine Mehrheit der Zivis fühlt sich danach aber auch kompetenter
Wien – “Generell einfach mehr Gespür dafür, wie es anderen Leuten geht”, nennt ein Zivildiener als positiven Effekt seines Ersatzdienstes, wie in einer Studie der WU Wien im Auftrag des Bundeskanzleramts zu lesen ist. Der junge Mann ist kein Einzelfall: 72 Prozent der Befragten geben an, durch ihren Einsatz mehr Empathie aufbringen zu können, etwa gleich viele sehen sich besser imstande, auf unbekannte Situationen zu reagieren. Ein gutes Viertel fand Teile des Dienstes allerdings auch psychisch belastend.
Befragt wurden 14.616 Personen, die 2023 Zivildienst geleistet haben, durchgeführt hat die Studie das Kompetenzzentrum für Nonprofitorganisationen und Social Entrepreneurship der Wirtschaftsuni. Demnach wählten drei Viertel der Befragten den waffenlosen Pflichtdienst aufgrund der Sinnhaftigkeit. Ein knappes Drittel bleibt den Einrichtungen auch danach als Ehrenamtliche erhalten. “Ein Wegfall des Zivildienstes hätte damit nicht nur negative Auswirkungen auf die Gesellschaft, sondern für die Zivildiener selbst”, sagt Studienautorin Selma Srajcer.
1,6 Milliarden Euro Gesamtwert
Diese ehrenamtlichen Tätigkeit zahlt auch auf die ökonomischen Effekte ein, die die Studie gemessen hat. Die 13 Millionen Leistungsstunden, die Zivis im Jahr 2023 verrichtet haben, würden mit regulär Beschäftigten 357 Millionen Euro kosten. Dazugerechnet wurde der Wert von 46 Millionen Stunden, die in einem Zeitraum von zehn Jahren geleistet würden. Den Gesamtwert all dieser Stunden beziffert die Studie mit knapp 1,6 Milliarden Euro. Die ökonomischen Kosten werden mit rund 300 Millionen Euro angegeben.
Eine Abschaffung des Zivildienstes würde zwar “teilweise positive arbeitsmarktrelevante Wirkungen mit sich bringen”. Doch wegen mangelnder Arbeitskräfte könnten die entfallenen Leistungen nicht einfach so durch neue Mitarbeiter ersetzt werden, die Gesellschaft würde um einen Teil der Leistungen umfallen. Dazu zählt auch die freiwillige Tätigkeit nach Ende des Dienstes. “Der Zivildienst ist ein rund 500 Millionen Euro schwerer Headhunter”, sagt die zuständige Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP), denn ohne den Dienst würden ehrenamtliche Leistungen in dieser Höhe fehlen.
40 Prozent im Rettungswesen
Die Studie bietet auch Einblick in die Arbeitsbedingungen der Zivildiener. Durchschnittlich arbeiteten sie 42,6 Stunden pro Woche, davon entfielen aber nur 30 Stunden auf die “reine Leistungserbringung”. Die übrigen Stunden entfielen auf Schulungen, Pausen und Leerlaufzeiten. 40 Prozent der Zivis arbeiteten im Rettungswesen, 17 Prozent mit Menschen mit Behinderung, elf Prozent mit alten Menschen.
Für ihren Dienst erhalten die jungen Männer im Schnitt 818 Euro pro Monat. Ein knappes Viertel von ihnen konnte damit ihre Lebenserhaltungskosten nicht decken, in den meisten Fällen sprangen dann die Eltern ein – die Hälfte der Zivildiener musste auf Erspartes zurückgreifen. Trotz der teilweise schwierigen Bedingungen würden sich aber neun von zehn der Befragten wieder für den Zivildienst entscheiden. (Sebastian Fellner, 13.12.2024)
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