Appelle zu friedlichem Machtwechsel

Spitzendiplomaten aus den USA, der Türkei, der Europäischen Union und den arabischen Staaten hätten sich darauf geeinigt, dass eine neue Regierung in Syrien die Rechte von Minderheiten respektieren sollte, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Samstag nach den Gesprächen in der Hafenstadt Akaba.

Und weiter: „Wir waren uns einig, dass der Übergangsprozess unter syrischer Führung und in syrischer Verantwortung erfolgen muss und eine inklusive und repräsentative Regierung hervorbringen sollte.“ Es sei auch wichtig, dass humanitäre Hilfe die Bedürftigen erreiche. Syrien dürfe nicht als Stützpunkt für Terrorgruppen oder andere genutzt werden, die das syrische Volk, seine Nachbarn oder die Welt bedrohen.

EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas

Reuters/Alaa Al Sukhni
„Wir wollen ein friedliches Land“, sagte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas

EU: „Syriens Zukunft ist optimistisch, aber ungewiss“

Ähnlich äußerte sich die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas nach dem Treffen. „Was wir sehen wollen, ist der Aufbau einer einheitlichen Regierung“, sagte Kallas. Was die neue Führung angehe, herrsche große Unsicherheit. Die EU wolle ein stabiles Land sehen. „Wir wollen ein friedliches Land. Und wir wollen, dass alle Minderheiten respektiert werden, ohne Vergeltung und ohne Rache“

Das Nachbarland Jordanien war Gastgeber des Treffens. Russland und der Iran, die zu den wichtigsten Unterstützern Assads gehören, waren nicht eingeladen. Auch syrische Vertreter saßen nicht mit am Tisch.

Fuad Hussein und Mohammed bin Abdulrahman Al Thani

Reuters/Andrew Caballero-Reynolds
Die arabischen Außenminister fordern „Gerechtigkeit und Gleichheit“ für alle Menschen in Syrien

USA in Kontakt mit HTS

In Syrien hat nach Assads Sturz eine Übergangsregierung unter der Leitung von Mohammed al-Baschir die Führung übernommen und will diese bis zum 1. März 2025 führen. Eine von der Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) geführte Offensive hatte am Sonntag zum Sturz Assads geführt, der nach Moskau floh.

Die HTS wird von den USA, der EU und der Türkei als Terrororganisation eingestuft. Die USA hätten Blinken zufolge aber bereits „direkten Kontakt“ zur HTS sowie anderen Parteien aufgenommen. Wie die Kontaktaufnahme erfolgte, sagte Blinken nicht.

Warnung von arabischen Außenministern

Auch die Außenminister des Irak, Saudi-Arabiens, Ägyptens, des Libanon, der Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrains, Katars und Jordaniens riefen nach den Krisengesprächen zu einem friedlichen Übergang in Syrien auf.

In diesem Prozess müssten „alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte vertreten sein“, hieß es heute in der Erklärung. Die arabischen Außenminister forderten, dass der politische Prozess in Syrien von den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga unterstützt werde.

In ihrer Erklärung warnten die arabischen Chefdiplomaten auch vor jeglicher „ethnischen, konfessionellen oder religiösen Diskriminierung“ und forderten „Gerechtigkeit und Gleichheit“ für alle Menschen in Syrien.

Hakan Fidan und Antony Blinken

Reuters/Alaa Al Sukhni
Auch der türkische Außenminister Hakan Fidan sowie US-Außenminister Antony Blinken nahmen an den Gesprächen teil

„Historischer Moment“

Der jordanische Außenminister Aiman al-Safadi sagte: „Wir alle stehen Syrien in der Wiederaufbauphase nach Jahren des Tötens zur Seite.“ Safadi sprach von einem historischen Moment. „Wir werden mit allem, was wir können, die Einleitung eines inklusiven und umfassenden politischen Prozess unterstützen.“ Man wolle nicht, dass Syrien im Chaos versinkt.

Der türkische Außenminister Hakan Fidan versicherte: „Die nächsten Tage werden nicht einfach sein, aber die Türkei wird weiterhin Seite an Seite mit dem syrischen Volk stehen.“ Die Türkei, die die siegreichen Rebellen unterstützt, wird nach dem Machtwechsel als einflussreichster ausländischer Akteur gehandelt.

Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen

Reuters/Andrew Caballero-Reynolds
Sondergesandter Geir Pedersen gab sich vorsichtig optimistisch, verwies aber auf Herausforderungen

UNO: Lage bleibt unbeständig

Auch der UNO-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, nahm an dem Sondergipfel teil. Seiner Einschätzung nach bleibt die Lage in Syrien sehr unbeständig. Zwar deute die Entwicklung in einigen Bereichen auf eine Stabilisierung hin, hatte Pedersen am Tag zuvor erklärt. Aber es gebe weiterhin viele Herausforderungen. Trotzdem debattieren zahlreiche Staaten bereits eine Rückkehr der Geflüchteten. Derzeit gibt es laut UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) aber noch kaum Heimkehrer.

Dschawlani: Syrien ist nicht an neuen Konflikten interessiert

Syrien ist nach Äußerungen von Rebellenführer Mohammed al-Dschawlani (mit bürgerlichem Namen Ahmed al-Scharaa) aber ohnehin nicht an neuen Konflikten interessiert. Der Zustand Syriens nach Jahren des Konflikts und des Krieges lasse keine neuen Konfrontationen zu, sagte Dschawlani mit Blick auch auf Israel.

Die Priorität in dieser Phase sei der Wiederaufbau und die Stabilität und nicht, sich in Streitigkeiten zu verwickeln, die zu weiterer Zerstörung führen könnten. Diplomatische Lösungen seien der einzige Weg, um Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten. „Unkalkulierte militärische Abenteuer“ seien nicht erwünscht.

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