Minister Rauch: “Der Föderalismus in der derzeitigen Form gehört abgeschafft”
Anklage zum Abschied
In den Ländern herrsche das Verständnis, der Bund sei ein Bankomat, es gehe um Machterhalt und das Verteilen von Jobs, sagt Noch-Minister Johannes Rauch. Die Republik werde das nicht länger aushalten
Neben dem Schreibtisch steht bereits der Umzugskarton: Nach knapp drei Jahren im Amt heißt es für Johannes Rauch, Abschied zu nehmen. Sollten die Neos nicht doch noch aus den Koalitionsverhandlungen abspringen und die Grünen wieder ins Spiel bringen, wird das Sozial- und Gesundheitsministerium mit Bildung der neuen Regierung an eine andere Partei fallen, vermutlich an die SPÖ.
Doch der 65-jährige Vorarlberger hinterlässt nicht bloß ein leeres Büro, sondern auch eine Botschaft. Zum Wohl der Republik gebe es für die Zukunft “eine entscheidende Aufgabe”, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD: “Der Föderalismus in der derzeitigen Form ist untauglich und gehört abgeschafft. Geteilte Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern sind die Pest. Nur das Privileg des Geldausgebens zu haben, nicht aber die Verantwortung für die Einnahmen, ist Schönwetterföderalismus.”
Selbstbewusste Zwerge
Gereift ist diese Überzeugung unter anderem im Zuge des vorjährigen Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern, der auch eine Gesundheitsreform beinhaltete. Bei den Verhandlungen hätten die Länder 600 Millionen gefordert, um das Minus in ihren Spitälern abzudecken – “ohne jede Reform”, wie Rauch erzählt: “Da herrscht das Verständnis, der Bund sei ein Bankomat, den man alle fünf Jahre anzapfen könne. Das halte ich für unverfroren. Dazu gesellt sich die Vorstellung, ein Zwergenbundesland könne in einem globalisierten Europa etwas bewegen.”
Es brauche klare Verhältnisse: “Wollen die Länder etwa weiter Spitäler führen, dann sollen sie selbst Steuern dafür einheben – oder die Kompetenzen wandern zum Bund”, sagt Rauch. “Bisher sind die Länder nicht bereit, da in Reformen einzusteigen, weil es um Machterhalt und das Verteilen von Jobs geht. Das wird die Republik finanziell nicht länger aushalten.”
Die Kompetenzzersplitterung gilt auch unabhängigen Experten als entscheidendes Hemmnis, das im Gesundheitssystem eine sinnvolle Planung verhindere und somit unnötige Kosten verursache. Die von Rauch forcierte Reform zielte darauf ab, die ambulante Versorgung auszubauen, die Mitsprache der Ärztekammer zu beschneiden und Zuschüsse für die Länder an Bedingungen zu knüpfen. Ein Ziel war, dass dank besserer Alternativen künftig weniger Menschen in den für die Allgemeinheit teuren Spitälern landen.
Die Reform sei ein “großer Wurf”, gibt sich der Urheber überzeugt: “Das bestätigen alle, die im System arbeiten.” Allerdings müsse die neue Regierung das Projekt konsequent weitertreiben, sonst “versande” der Effekt: “Die Bundesländer sind versucht, das via Finanzausgleich zugestandene Geld nicht für die Reform der Spitäler und den Ausbau der Ambulanzen auszugeben, sondern für irgendetwas anderes.”
Aus für Kleingemeinden
Eine prägnante Schlussfolgerung zieht der Grünen-Politiker auch aus dem Umstand, dass die Gemeinden derzeit über Geldnot klagen: “Es mag provokant klingen, aber: Gemeinden unter 1000 Einwohner sind nicht finanzierbar. Die gehören zusammengelegt.”
Rauchs Angebot: Wolle die künftige, mutmaßlich von ÖVP, SPÖ und Neos gestellte Regierung wirklich substanzielle Reformen durchziehen, um den Staat neu zu ordnen, müsse sie mit den Grünen reden: “Denn es ist vielleicht das letzte Mal, dass die für Verfassungsänderungen nötige Zweidrittelmehrheit im Parlament ohne FPÖ-Stimmen erreichbar ist.”
Warum haben die Grünen und er dies nicht längst versucht, solange sie noch in der Regierung saßen? “Weil in Monat drei unserer Regierungszeit die Corona-Krise hereingebrochen ist, danach folgten Ukrainekrieg und Teuerungswelle”, sagt Rauch. “Es hat schlicht die Zeit gefehlt. Jetzt hat sich die Lage stabilisiert.” (Gerald John, 22.12.2024)
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