Auftakt der FPÖ: Wenn Hofer Landeshauptmann wird, werden sich nicht alle freuen
Kaum hat Peter Westenthaler sein Glas in die Hand genommen stellt er es auch schon wieder ab. Der ehemalige FPÖ-Nationalratsabgeordnete ist im Kulturzentrum in Oberschützen am Freitag am Abend so etwas wie ein Überraschungsgast. Stargast ist Norbert Hofer, Spitzenkandidat der FPÖ Burgenland der hier seinen Wahlkampfauftakt für die Landtagswahl am 19. Jänner begeht. Für Westenthaler ist selbstverständlich, dass er heute hier ist. “Norbert und ich sind seit 30 Jahren gute Freunde”, sagt er.
Westenthalers gute Stimmung ist nicht nur dem Wahlkampfauftakt geschuldet, sondern auch dem Platzen der Koalitionsverhandlung im Bund. “Das spielt uns in die Hand”, ist er überzeugt, nicht nur was die Landtagswahl im Burgenland betrifft, sondern auch die Bundespolitik. Westenthaler glaubt, dass nun der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz den aktuellen, Karl Nehammer, ablösen und mit Kickl zusammenarbeiten wird. Und wenn nicht, dann gibt es eben Neuwahlen.
Wie man es dreht und wendet, “die FPÖ gewinnt dazu”, sagt Westenthaler. Ob Norbert Hofer, sollte er Zweiter werden und sich eine Mehrheit mit der ÖVP ergeben sollte, den Landeshauptmann machen soll, will Westenthaler nicht kommentieren. Hofer wird das schon richtig entscheiden, sagt er, denn Hofer sei Pilot, habe daher die Draufsicht. Ein Bild, das er eine Stunde später, als einer der Redner, noch einmal verwenden wird.
Schon wieder drei Bier?
Davor wird im Foyer des Kulturzentrum noch zusammengestanden, getratscht und getrunken. Ein Mann zeigt stolz drei Finger der rechten Hand am gestreckten rechten Arm, als er erfährt, dass er vor einem Redakteur des STANDARD steht. Sein Freund durchbricht die Szene, zieht den Journalisten auf die Seite und versucht das Thema zu wechseln. Seiner Meinung nach sei es schade, dass am zweiten Listenplatz keine Frau kandidiere. Johann Tschürtz, Klubobmann der FPÖ-Burgenland, der gleich ein paar Meter weiter steht, den mag er nicht. Manfred Kölly, der ehemalige Bürgermeister aus seiner Heimatgemeinde Deutschkreutz, der wegen Wahlbetrugs verurteilt wurde, den mag er hingegen.
Ein Stück weiter rechts schwärmt eine Frau von Norbert Hofer. Sie kennt ihn persönlich. Er kann das Land wieder einen, ist sie sich sicher. Sie hält es für ungerecht, dass FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl nicht Kanzler werden durfte. Norbert Hofer würde sie auch gerne als Landeshauptmann sehen, selbst wenn er bei der Landtagswahl nur Zweiter werden sollte. Diese Meinung teilen hier die meisten. Ob das Herbert Kickl auch so sieht, bleibt heute offen. Er ist zum Wahlkampfauftakt von Norbert Hofer nicht ins Burgenland gekommen. Für den 11. Jänner sind allerdings Auftritte von ihm im Burgenland angekündigt. Dass Hofer und Kickl miteinander nicht gut können, das glaubt hier kaum jemand.
Hauptgegner Doskozil
Und noch jemand dürfte fehlen. Denn als die Veranstaltung beginnt, und der neue steirische Landesrat Stefan Hermann die Bühne betritt, sind bei weitem nicht alle der 460 Plätze des Saales gefüllt. Zig Sessel im Parkett bleiben frei, der Balkon ist überhaupt geschlossen. Hermann startet den Reigen der Redner – und der einen Rednerin –, die sich am Landeshauptmann Hans Peter Doskozil abarbeiten. Er breitet seine Sorge um den Mindestlohn im Burgenland aus, weil so der Steiermark das Personal abgeworben wird.
FPÖ-Gesundheitsprecherin Dagmar Belakowitsch nennt Doskozil einen Hasenfuß, der gemeinsam mit dem ehemaligen SPÖ-Kanzler Christian Kern als Schlepper gearbeitet habe. “Doskozil war 2015 ganz vorne dabei, bei den Klatschern”, erinnert sie. Zudem war er federführend an der Impfpflicht beteiligt und sie kreidet ihm auch seine Impflotterie an. Und “als die Lockdowns im Bund vorbei waren, hat er sich dem Ostlockdown mit Wien und Niederösterreich angeschlossen.” Sie kommt zum Schluss: “Er war nicht der Milde, er war einer der Scharfmacher in der Geschichte.”
Westenthaler will ORF aufräumen
Ihr folgt auf der Bühne Peter Westenthaler. Der spielt auf das Koalitionsende im Bund an und erinnert an die Straßenverkehrsordnung: “Wenn die Ampel ausfällt, dann kommt der Rechte vorm Linken und es gilt Rechtsverkehr!” Er, ORF-Stiftungsrat, ist dafür, im ORF-Stiftungsrat und dem ORF endlich aufzuräumen. Das erste Mal kommt im Saal großer Jubel auf. Dieser ist ähnlich groß, als Norbert Hofer, begleitet von Kindern und Erwachsenen, die Fahnen schwingen, in die Halle einzieht.
Aber bevor Norbert Hofer spricht, arbeitet sich Landesparteiobmann Alexander Petschnig noch einmal an Doskozil ab. “Die Tage des roten Apparatschik sind mit heute gezählt.” Er zählt die Versäumnisse der “SPÖ-Alleinregierung” auf; erinnert an den Zusammenbruch der Commerzialbank Mattersburg, schlechte Gemeindefinanzen, spricht von Postenschachern. Er endet bei Tal Silberstein und sieht seine Nachfolger im Burgenland, erwähnt namentlich den SPÖ-Klubobmann Roland Fürst, “der wie kein anderer diese Methoden lebt.”
Und wieder die Sektflaschen
Petschnig fragt, wer denn nun die Sektflaschen rüttelt, die Doskozil gekauft hat, um ein Unternehmen zu unterstützen, das nun in Konkurs gegangen ist. Er beschimpft Babler als “Nichtsnutz” und findet es witzig, dass der Einzige, der je gegen Babler, “den Bolschewiken”, verloren hätte, Hans Peter Doskozil sei. Im Anschluss spricht er von der Versöhnung, die er sich wünscht, bevor er sagt, was die FPÖ als Erstes angehen wird: Einen Kassasturz im Land, er will die Baulandsteuer und ORF-Landesabgabe abschaffen sowie den Standort entstaatlichen und so wieder nach vorne bringen.
Auch FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, den Norbert Hofer später noch als besten Verkehrsminister der Zukunft bezeichnen wird, spielt auf den Sekt an und kalauert, dass Norbert Hofer die Flaschen im Land umdrehen wird. Auch er freut sich über das Scheitern der Dreierkoalition im Bund. Auch er bekommt Applaus für seine Kritik an der Bundespolitik. “Hätte man Norbert Hofer die Wahl zum Bundespräsidenten nicht gestohlen, hätte es das Debakel um die unsägliche Ampel nicht gegeben”, ist er überzeugt, bevor endlich Norbert Hofer die Bühne betritt.
Hofer war brav
Dieser beginnt bei seinen ersten Wahlkämpfen, vor 35 Jahren, bei der Wirtschaftskammerwahl, die er dank einer Excelliste gewonnen habe. Er lobt den neuen steirischen Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) und will von ihm den Zusammenhalt lernen. Spekulationen über Koalitionen und wer Landeshauptmann werden wird, macht er nicht. “Das wird der Wähler, die Wählerin, entscheiden, aber ich habe schon einen Eindruck, wie das ausgehen wird.”
Er springt in seiner Erzählung immer wieder in seine Kindheit, zeichnet Bilder von Freibad, Eis und Radausflügen. Später erzählt er von Wahlkampfauftritten mit Mario Kunasek im Bundespräsidenten-Wahlkampf, wo sie in schusssicheren Westen auftreten mussten. Er erinnert sich an die Eltern und Großeltern, die “uns dieses Land geschenkt haben”. Er hatte noch Respekt vor Lehrern, der Gendarmerie. “Wir waren brav”, sagt er. Und er habe zu Politikern aufgeschaut. Bis er den Proporz verstand und gegen ihn in die Politik einzog.
“Ibiza war kein Skandal”, ist er überzeugt, “sondern eine Verschwörung. Was Strache gesagt hat, haben andere gemacht – aber er wurde gefilmt.” Und er weiß, dass sich viele Menschen freuen werden, wenn er Landeshauptmann werden wird, “aber ein paar werden sich Sorgen machen müssen”, spielt er auf den Chef der Burgenland Energie, Stephan Sharma, an, der ihm zu nah am Landeshauptmann ist.
Und wieder die Sektflaschen
Doskozils Energiepreisversprechen im Burgenland von 10 Cent auf 20 Jahre kann niemals halten, ist Hofer überzeugt. “Energieautark werden wir in fünf Jahren auch nicht sein.” Er kreidet Doskozil die Käufe der Therme, der Zuckerfabrik in Siegendorf, einer Heiratsvermittlung und ebenfalls der 200.000 A-Nobis-Sektflaschen an. Dann schwenkt er um zur Bundespolitik.
“Rassenwahn ist für mich gefährlich, aber Klassenwahn ist ebenso gefährlich”, sagt Hofer. Die ÖVP wollte Babler, einen ausgewiesenen Marxisten, zum Vizekanzler machen. “Wenn die ÖVP nicht bald Wahlergebnisse anerkennt, und dass es Wichtigeres gibt als Nehammer, dann geht es für die ÖVP noch weiter runter, auf 15 Prozent.”
Versöhnung statt Streit
Er ist überzeugt, er könne besser mit Michael Ludwig reden als Doskozil, der nicht nur mit Wien, sondern auch mit Ungarn zerstritten ist, leitet auch er einen Appell an Versöhnung ein – was ihn irgendwie zum Thema Asyl und Migration bringt. “45 Prozent der Kinder können der deutschen Unterrichtssprache nicht folgen.” Dafür macht er die SPÖ und Doskozil verantwortlich. “Nicht alle Menschen, die über die Grenze kommen, sind schlechte Menschen. Aber es waren Messerstecher und Vergewaltiger dabei”, erinnert er an Gruppenvergewaltigungen in Deutschland und 427 angezeigte Vergewaltigungen durch Ausländer in Österreich. “Was machen die noch hier?”
Er streift noch das aktuelle Lieblingsthema von Doskozil, die Pflege: “800.000 Menschen pflegen Menschen. Der Großteil sind Frauen, mit einem Durchschnittsalter von 67 Jahren.” Die langen Wartezeiten bei Ärzten lassen ihn fragen: “Jetzt lassen wir unsere Großeltern im Stich? Was nutzt uns ein neues Krankenhaus, wenn das Personal dafür nicht da ist?” Er will junge Menschen am Weg in Pflegeberufe unterstützen und nennt sie weiße Engel.
Bei seinen Wahlhelfern, endet er, werde es sich heute nicht bedanken, sondern am 19. Jänner, nachdem die Balken nach oben gegangen sind. (Guido Gluschitsch, 4.1.2025)
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