Ex-BVT-Chef Gridling warnt: “Russland wird Verbindungen zur FPÖ nutzen”

Als Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz (BVT) lieferte sich Peter Gridling ab Februar 2018 einen Machtkampf mit dem damaligen Innenminister Herbert Kickl. Wie der Staatsschützer im Ruhestand auf dessen mögliche Kanzlerschaft blickt, erzählte Gridling dem STANDARD Freitagmittag.

Peter Gridling bei einer Pressekonferenz
Griding leitete das BVT, als Herbert Kickl Innenminister war – und ihn suspendieren wollte
imago/CHROMORANGE

STANDARD: Die FPÖ könnte Kanzler und Innenminister stellen. Welche Folgen hätte das für die Kooperation mit Partnerdiensten?


Gridling: Direkt auf der nachrichtendienstlichen Ebene hätte das vermutlich wenig Konsequenzen. Ein Partnerdienst kann sich die internationalen Verwicklungen nicht leisten, wenn er Hinweise zu Terrorgefahr nicht übermitteln würde. Gegen meinen Vorgänger René Polli wurde sogar in Deutschland ermittelt, trotzdem kamen weiterhin Informationen.


STANDARD: Als Kickl Innenminister war, gab es aber viele Komplikationen.


Gridling: Wir hatten uns damals aus Arbeitsgruppen im Berner Club, einem Zusammenschluss europäischer Dienste, zurückgezogen. Die Informationsweitergabe zum Thema Russland war eingeschränkt, aber in anderen Bereichen und bilateral gab es trotzdem gemeinsame Ermittlungen.


STANDARD: Deutsche Politiker warnen aber vor einer Reduktion der Zusammenarbeit. Warum?


Gridling: Das sind politische Reaktionen, die immer kommen, wenn die FPÖ in Regierungsverhandlungen tritt. Vor allem ihre Russland-Nähe wird genannt. Aber die Situation hat sich im Vergleich zu meiner Amtszeit geändert. Von Kickl ist, im Gegensatz zu anderen FPÖ-Politikern, keine große Affinität zu Russland bekannt. Anders ist das beim ungarischen Premier Viktor Orbán oder Robert Fico in der Slowakei. Auch in Skandinavien oder in Frankreich gewinnen Rechte an Einfluss. Es wird sich auch die Frage stellen, wie die deutsche Politik nach der Bundestagswahl mit der AfD umgehen wird.


STANDARD: Ist die FPÖ unter den österreichischen Parteien nicht jene, die am engsten in russische Spionage verwickelt ist?


Gridling: Ohne Zweifel. Die FPÖ war ein Einfallstor für russische nachrichtendienstliche Informationsgewinnung. Man denke an Ex-Außenministerin Karin Kneissl oder an die frühere Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft. Russland wird diese Verbindungen weiterhin nutzen.


STANDARD: Bereitet Ihnen eine blaue Kanzlerschaft oder ein blauer Innenminister dennoch keine Sorgen?


Gridling: Wenn eine Partei so wie die FPÖ seit siebzig Jahren Teil der politischen Landschaft ist, kann man das nicht wegdiskutieren. Die frühere AfD-Chefin Frauke Petry sagte über ihre Ex-Partei: “Ein Verbot wäre vor fünfzehn Jahren sinnvoll gewesen.” Es geht um ein Hinterfragen der etablierten Parteien, warum ihnen die Wähler davonlaufen. Die FPÖ ist auch stark geworden, weil sie Themen, die die Menschen berühren, in polemischer Art in die Öffentlichkeit bringt. Wenn man sich dann vielleicht zustimmend der Debatte annimmt, wird man gleich ins rechte Eck gerückt.


STANDARD: Meinen Sie da zum Beispiel das Thema Gefahr durch Migration?


Gridling: Das war so ein Pfui-Thema, das dann von Sebastian Kurz zur ÖVP geholt worden ist. Es ist aber eine Tatsache, dass sich Menschen in Österreich vor Migration fürchten. Dann muss man eine Debatte führen und die Geschichte besser erzählen. Ich habe wahrlich keinen Grund, ein Kickl-Fan zu sein. Aber er ist ein Vollblutpolitiker und ein herausragender Rhetoriker, und er hat aggressive Oppositionspolitik gemacht. Das Wahlergebnis kann man nicht wegdiskutieren.


STANDARD: Kickl ließ Sie, als er Innenminister war, als BVT-Direktor suspendieren. Es war klar, dass er Sie weghaben wollte. Warum haben Sie nicht aufgegeben?


Gridling: Ich soll meinen Sessel freiwillig freimachen? Sicher nicht. Mir war klar, dass man die Vorhalte gegen mich widerlegen konnte. Man wollte damals das BVT handstreichartig umfärben. Dagegen habe ich mich gewehrt.


STANDARD: Die Ermittlungen gegen Sie wurden eingestellt, Sie kamen wieder ins Amt. Wie ging es dann weiter?


Gridling: Ich bekam immer wieder Informationen, dass man nach Gründen suchte, mich loszuwerden. “Nur keine Fehler” nannte ich das Kapitel in meinem Buch, in dem ich über diese Phase schrieb. Ich wollte es der FPÖ nicht leichtmachen. Man hat damals auch probiert, an mir vorbei mit Geheimprojekten Strukturen im BVT aufzubauen. Aber auch da hatten wir ein Auge drauf. Gott sei Dank ist dann Ibiza passiert.


STANDARD: Im U-Ausschuss haben Sie erzählt, dass Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber schon vor der Razzia von Ihnen sensible Informationen wollte. Wie haben Sie das abgewehrt?


Gridling: Es gab damals eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates, die vorbereitet wurde. Goldgruber wollte Informationen zu verdeckten Ermittlern. Ich leitete das an die zuständige Abteilung weiter, mit dem Hinweis, nur kursorisch zu antworten. Also keine Namen zu nennen.


STANDARD: Darf der Minister nicht alles wissen, was im BVT passiert?


Gridling: Grundsätzlich ist der Minister der Chef, den man politisch beraten muss. Das umfasst nicht zwingend die Übermittlung von Akten oder Ermittlungsdetails. Der Generalsekretär hat als oberster beamteter Vorgesetzter sogar noch mehr Möglichkeiten.


STANDARD: Es gab Hinweise, dass Kickls Büro damals viel über die Ermittlungen gegen die rechtsextremen Identitären wissen wollte.


Gridling: Die Identitären waren ein besonderes Thema. Ich habe Kickl damals klar gesagt, dass ich seine Meinung, sie seien eine “rechte NGO”, nicht teile, und Zitate aus ihren Strategiepapieren vorgebracht. Ich wies auch darauf hin, dass jeder Informationsfluss ans Ministerbüro veraktet wird. Daraufhin ist man dann vorsichtiger geworden. Goldgruber meinte dann sogar, er möchte gar nicht vorab über Ermittlungsschritte informiert werden.


STANDARD: Wie kann sich der Verfassungsschutz vor politischer Einflussnahme und vor allem vor Missbrauch schützen?


Gridling: Schwierig. Das Weisungsrecht hat Grenzen. Man kann sich gegen strafrechtlich relevante Weisungen wehren, aber die Auskunftspflicht ist eine weite. Man muss sensibel agieren und etwa argumentieren, dass bestimmte Infos dann Quellen oder internationale Beziehungen gefährden könnten.


STANDARD: Würden Sie dafür plädieren, das Innenressort in den Händen der ÖVP zu lassen?


Gridling: Grundsätzlich wäre das zu befürworten, aber darauf hat man wenig Einfluss. Auch in der Justiz wäre ein unabhängiger Experte als Minister gefragt. Als gelernter österreichischer Beamter braucht man sich aber nichts vorzumachen. Bei Postenbesetzungen wird sich nicht viel ändern. Auch die Grünen haben das rasch gelernt. Unter ÖVP-Ministern gab es oft Personalvorschläge, bei denen Loyalität wichtiger als Kompetenz war. Eine gewisse Loyalität gegenüber dem Minister ist wichtig, um die politische Linie des Regierungsprogramms umzusetzen – aber wohl nicht auf jeder Ebene. (Fabian Schmid, 10.1.2025)


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