Die Burgenland-Wahl schlägt Wunden in die Bundespolitik
Landtagswahl
Die SPÖ verliert ihre letzte absolute Mehrheit – trotz blau-schwarzer Verhandlungen im Bund. Der Phantomschmerz strahlt Richtung Wien aus. Die ÖVP setzt eine beachtliche Negativserie fort
Gut 46 Prozent sind ja wirklich kein Beinbruch. Andere rote Landesorganisationen können von diesem Ergebnis nur träumen. Von der Bundespartei, die bei der Nationalratswahl im Herbst bei ihrem historisch schlechtesten Ergebnis von 21 Prozent zu liegen kam, gar nicht zu reden.
Einen Wermutstropfen gab es für Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil am Sonntagabend dennoch. Bei der Landtagswahl verlor seine SPÖ nämlich die absolute Mehrheit. Doskozil braucht nach fünf Jahren roter Alleinregierung also wieder einen Koalitionspartner. Und die Frage, für wen er sich entscheidet, wird auch an der Bundespolitik der nächsten Jahre nicht spurlos vorübergehen.
Verlust im roten Bollwerk
Zunächst ist der Verlust der Absoluten aber ein symbolischer Einschnitt. Durchaus auch für die SPÖ-Bundespartei, die damit ihre letzte verbliebene Alleinregierung los ist – und das in der nach Stimmenanteilen stärksten SPÖ-Bastion.
Gerade jetzt, da sich eine blau-schwarze Bundesregierung abzeichnet, ist der rote Verlust noch etwas schmerzhafter. Denn von ÖVP-FPÖ-Koalitionen konnte die SPÖ bei folgenden Wahlen stets profitieren – gerade in traditionell roten Bundesländern. Ein Umstand, der auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig offenkundig dazu bewogen hat, die Wien-Wahl vom Herbst auf den 27. April vorzuverlegen.
Farbenspiele mit Blick auf Wien
Auch der umgekehrte Effekt, jener der Landes- auf die Bundespolitik, wird mit Blick nach Eisenstadt von Interesse sein. Vor allem bei der Frage der künftigen Koalition. Rot-Grün ergäbe für Doskozil die “billigste” Mehrheit – allerdings mit nur einem Mandat Überhang. Für die Grünen wäre es ihrerseits auch bundespolitisch wichtig, Teil einer Regierung zu sein. Denn nach Ende von Türkis-Grün im Bund sind sie auch regional nur noch in Oberösterreichs Landesregierung vertreten – und das nur dank Proporz.
Ein Pakt mit ÖVP oder FPÖ brächte Doskozil zwar eine solidere Mehrheit – aber mit Blick auf das größere Ganze auch einen starken Nachteil: In beiden Fällen täte er sich schwerer, aus der Regierung in Eisenstadt heraus Opposition gegen Blau-Schwarz im Bund zu machen.
Rote Konflikte
Im Falle einer rot-blauen Koalition würde Doskozil zudem auf noch schärferen Konfrontationskurs mit seinem Bundesparteichef Andreas Babler gehen, der Bündnisse mit der FPÖ auch in den Ländern ablehnt. Ein rot-blauer Dammbruch würde aber auch völlig abseits vom Bundesparteivorsitzenden für gehörige Wellen und weitere Zerwürfnisse in der SPÖ sorgen.
Und dann ist da noch die Frage, wer in Zukunft an der Spitze der Bundes-SPÖ stehen soll, die nie ganz ohne den Namen Doskozil auskommt. Dass er noch Ambitionen auf diesen Job hat, stellt er selbst zwar in Abrede. Wie dauerhaft das Dementi gelten wird, ist aber offen. Bei einer blau-schwarzen Bundesregierung blühen der SPÖ viele Jahre auf der Oppositionsbank. Seinen Landeshauptmannsessel gegen diese einzutauschen verspricht dem machtbewussten Burgenländer keine lohnenden Perspektiven. Aber für die nächste Nationalratswahl – ob regulär in fünf Jahren oder vorgezogen – könnte sich Doskozil wieder für einen Wechsel nach Wien in Stellung bringen.
Schwarzer Abwärtsstrudel
Größere bundespolitische Implikationen hat das Wahlergebnis auch für die ÖVP. Denn für Schwarz setzte es bei der vierten Landtagswahl in Folge ein deftiges Minus. Nach Salzburg 2023 (minus 7,4 Prozentpunkte), Vorarlberg (minus 5,2) und der Steiermark (minus 9,2) im Vorjahr gab es nun auch im Burgenland mit rund acht Prozentpunkten weniger eine schwere Schlappe. Auch bei der Nationalrats- und Europawahl im Vorjahr hatte die Volkspartei 11,2 beziehungsweise zehn Prozentpunkte eingebüßt, in Niederösterreich Anfang 2023 ebenfalls fast zehn.
Das ist ein massiver Abwärtsstrudel, der sich auch mit viel Fantasie nicht beschönigen lässt. Ob die schwarze Unterwerfung in einer Bundesregierung mit der FPÖ die Zukunftsperspektiven der Volkspartei verbessert, darf durchaus angezweifelt werden.
Für die FPÖ bedeutet das Plus von rund 13 Prozentpunkten zwar die Fortsetzung ihres Siegeszugs bei Wahlen. Angesichts von Ex-Bundesparteichef Norbert Hofer – mit ähnlichen Bekanntheitswerten wie Doskozil ausgestattet – als blauem Spitzenkandidaten hätten viele Freiheitliche aber auf mehr gehofft. Und: Ohne Regierungsbeteiligung wäre auch ein grundsätzlich starkes Wahlergebnis im Burgenland realpolitisch ein gutes Stück weniger wert. (Martin Tschiderer, 20.1.2025)
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