Doskozil wollte mit der ÖVP koalieren, muss jetzt aber mit den Grünen
Koalitionsverhandlungen
Innerhalb von drei Wochen, noch bevor eine Bundesregierung stehen könnte, will Doskozil eine Landesregierung gemeinsam mit den Grünen bilden
Der Beschluss, mit den Grünen in Regierungsverhandlungen einzutreten, ist vom Landesparteivorstand einstimmig beschlossen worden, sagt Hans Peter Doskozil, Landeshauptmann und SPÖ-Parteichef im Burgenland. Was er nicht direkt sagt: wann die Entscheidung gefallen ist, dem Vorstand die Grünen als Koalitionspartner vorzuschlagen. Der Entschluss dürfte nämlich spät gefasst worden sein. Nicht einmal Anja Haider-Wallner, Spitzenkandidatin der Grünen, wusste bis wenige Stunden vor der Verlautbarung von ihrem Glück. Als Beweis führt sie an, dass sie sich in der Früh anders gekleidet hätte, hätte sie gewusst, dass sie vor die Kameras treten muss.
Und noch etwas sagt Doskozil nicht geradeheraus. Nämlich, warum seine Entscheidung auf die Grünen gefallen ist. Viel mehr erklärte er, warum FPÖ und ÖVP nicht infrage gekommen sind.
Was die FPÖ betrifft, ließ er sich bereits seit seinem Wahlkampfauftakt in die Karten schauen. Doskozil stieß sauer auf, dass die FPÖ “mit Halbwahrheiten und Fake News” Politik mache, mit der sie die Bevölkerung verunsichere. “Norbert Hofer war im persönlichen Gespräch verbindend”, erinnert sich Doskozil, “er hat es aber nicht geschafft, diesem Treiben” innerhalb seiner Partei “Einhalt zu gebieten”. Doskozil sieht in einer Zusammenarbeit mit der FPÖ die Gefahr, “dass es entlang schwieriger Themen, die es geben wird”, die FPÖ wieder versuchen werde, die Bevölkerung zu spalten.
Hofer fürchtet eine neue Asylpolitik
Norbert Hofer bedauert die Entscheidung der SPÖ und fürchtet eine Abkehr von der bisherigen Asylpolitik des Landes. In den sozialen Netzen arbeiteten sich, nur Minuten nach Bekanntgabe von Doskozils Koalitionsentscheidung, FPÖ-Sympathisanten in einschlägigen Kommentaren an Doskozil und den Grünen ab – und bestätigten so die Spaltungsbedenken.
Keinen Hehl hat Doskozil daraus gemacht, dass er bis vor wenigen Tagen am liebsten mit der ÖVP in eine Koalition gegangen wäre. “Eine solche Regierung hätte eine breite Mehrheit im Landtag gehabt”, erklärt er seine Überlegungen. Und er sah darin eine Möglichkeit für gestärkte Partnerschaften mit den Gemeinden, der Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftskammer. Denn es brauche Stabilität im Land. Doch genau diese sieht er in der ÖVP aktuell nicht gegeben. Die Volkspartei müsse das alte Denken vom Aufteilen der Pfründe über Bord werfen, sagt Doskozil. Ihm gehe es um Problemlösungen für die Bevölkerung und Sachpolitik, nicht darum, wer sich auf welchem Posten wiederfindet.
Die ÖVP verliert auf den letzten Metern
Womit ein weiteres Problem der ÖVP im Burgenland augenscheinlich wird. Entbrannte doch am Tag nach der Wahl, nachdem ÖVP-Spitzenkandidat Christian Sagartz von seinem Parteivorstand die Unterstützung ausgesprochen bekommen hatte, eine Personaldebatte. Die dürfte jetzt noch einmal losgehen, wenn die SPÖ Sagartz und sein Agieren in der Partei dafür verantwortlich macht, dass Doskozils Wunschkoalition mit der ÖVP nicht zustande kommen konnte. “Jetzt haben wir alles verloren”, kommentiert es ein ÖVPler, “weil Sagartz am Sessel klebt”. Aber es ist offensichtlich, dass das nur das halbe Problem ist. Die andere Hälfte dürfte sein, dass niemand die Partei übernehmen möchte. Eisenstadts Bürgermeister Thomas Steiner, der seit Tagen Wunschkandidat einiger Parteimitglieder, aber vermutlich auch von Doskozil gewesen wäre, hat sich bislang nicht bewegt.
Bewegt hat sich inzwischen hingegen Anja Haider-Wallner. Etwa, wenn es um das Knackpunktthema schlechthin zwischen den Grünen und Doskozil geht. Beim Standort der Klinik Gols nämlich, den sie aus Umweltschutzgründen kritisiert, sieht sie nun plötzlich keine Chance mehr, das Thema vor das Verwaltungsgericht zu bekommen. Sie werde sich daher darauf konzentrieren, Verbesserungen im Rahmen der Möglichkeiten durchzubringen. Selbst beim Thema Asyl und Migration sei man nicht so unendlich weit voneinander weg, erklärt Haider-Wallner. “Manchmal geht es da auch nur um Begrifflichkeiten wie Arbeitspflicht oder Arbeitsmöglichkeit”.
Scheinverhandlungen mit den Grünen, damit die ÖVP Zeit gewinnt, um sich neu zu positionieren, schließt ein SPÖler aus. “Sie hatten lange genug Zeit. Das wird nichts mehr.” (Guido Gluschitsch, 27.1.2025)
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