Schwarz-Rot-Pink? Über eine nicht ganz einfache Annäherung von Ex-Partnern

Andreas Babler, Christian Stocker und Beate Meinl-Reisinger (v. li.), die Parteispitzen von SPÖ, ÖVP und Neos, basteln erneut an einer Dreierkoalition.
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Fast, wenn auch nur fast, wäre Schwarz-Rot-Pink gescheitert, noch bevor die Öffentlichkeit erfahren hat, dass eine Dreierkoalition wieder spruchreif ist. Donnerstagfrüh, 8.32 Uhr, es poppt ein “Alarm” der Nachrichtenagentur APA auf: “ÖVP und SPÖ bei Budgetsanierung einig”, lautet die Schlagzeile. Die Nachricht überrascht auch die Chefverhandler von ÖVP und SPÖ, so wird es zumindest erzählt. Und in beiden Parteien bricht Unruhe aus. So war das nicht geplant.


In den Kommunikationsabteilungen beginnt die Suche nach dem Maulwurf, der den Oberösterreichischen Nachrichten und der Kleinen Zeitung die Informationen gesteckt hat. Es wird auch eine Order ausgegeben: Gegenüber Journalistinnen und Journalisten sollen die Pressesprecher die Budgeteinigung weder bestätigen noch dementieren. Für ein paar Stunden herrscht in den Redaktionen des Landes Verwirrung: Haben sich ÖVP und SPÖ nun geeinigt – oder nicht?

Video: Obwohl allein schon die Zusammenarbeit von ÖVP und SPÖ noch alles andere als fix ist, dürften sich die beiden bereits auf ein gemeinsames Budget geeinigt haben
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Versuch zu dritt

Die Antwort, die damals noch niemand kannte: ÖVP und SPÖ waren weitgehend handelseins, doch das war zu diesem Zeitpunkt zu wenig. Denn still und heimlich wurden gerade die Neos ins Boot geholt. Und bei den Liberalen stößt die Nachricht über den schwarz-roten Budgetpakt auf wenig Euphorie: Wenn sich ÖVP und SPÖ die großen Brocken ohnehin schon ausgedealt haben, wozu sollen sie dann noch Teil einer Koalition sein?


Christian Stocker, ÖVP-Chef und potenzieller Kanzler der nächsten Regierung, soll bereits zwei Tage zuvor die Neos-Chefin angerufen und ihr ein Angebot gemacht haben: Wenn die Liberalen Teil einer Dreierkoalition würden, habe er erklärt, könnten die Neos das Bildungsressort besetzen. Ist dieses Angebot tatsächlich so ausgesprochen worden, muss auch Stocker klar gewesen sein: So einfach wird man die Neos nicht überzeugen. Aber Beate Meinl-Reisinger hat vorsichtiges Interesse signalisiert – zumindest zu verhandeln.


Am Mittwoch sollen erste Gespräche geführt und ein Treffen vereinbart worden sein: für Donnerstag. Jener Tag, an dem – angeblich ungeplant – die schwarz-rote Budgeteinigung publik wurde. Schlechtes Timing. Oder?


Inzwischen sind die Neos wieder Teil der Verhandlungen. Die Zeichen stehen auf Dreierkoalition. Eigentlich. Freitagfrüh tagt der Erweiterte Vorstand der Neos, danach treffen sich die Spitzen aller drei Parteien. Es wird verhandelt. Ziel ist es, “spätestens gegen Mittag” in die Hofburg zu gehen und Bundespräsident Alexander Van der Bellen über die Fortschritte zu informieren. Im Anschluss sollte ein gemeinsames Statement abgegeben werden, insofern alles gut läuft. Doch die Verhandlungen ziehen sich. Lange.


Am Nachmittag soll es – wieder einmal – um Posten gegangen sein. Den Neos war ursprünglich neben dem Bildungsministerium auch das Justizressort angeboten worden. Am Freitag soll die ÖVP “plötzlich” – meinen Verhandler aus anderen Parteien – wieder Interesse an der Justiz kundgetan haben. Alternativ steht im Raum, dass die Neos das Außenministerium bekommen. Doch Meinl-Reisinger als Außenministerin? “Die anderen möchten ja bloß, dass unsere beste Kommunikatorin ständig im Ausland weilt”, meinte dazu ein Pinker.


Ausgang? Freitagnachmittag ungewiss. Der Termin bei Van der Bellen wird vorerst abgeblasen und vertagt.


Van der Bellen: Kompromisse!

Um 15.01 Uhr verschickt die Präsidentschaftskanzlei ein Statement. Auch der Bundespräsident scheint ungeduldig zu werden. In seiner Stellungnahme mahnt das Staatsoberhaupt Kompromissfähigkeit ein. Konkret erinnerte er “nochmals alle Parteien” daran, dass “Kompromiss ein anderes Wort für eine gemeinsame Lösung ist”. Eine funktionierende Demokratie brauche den Mut, Meinungen zu verteidigen, aber auch die Weisheit, Lösungen im Kompromiss zu finden. “Es geht nicht um Einzelinteressen. Es geht ums Staatsganze”, wird Van der Bellen zitiert.


Wie so oft geht es auch an diesem Freitag nicht so schnell, wie von manchen erhofft oder zumindest prophezeit wurde.


Die meisten gehen dennoch davon aus: Am Ende müsse diese Koalition jetzt gelingen. Selbst in der heiklen Frage der Ressortverteilung wurden bereits viele Pflöcke eingeschlagen, auch wenn das letzte Wort hier noch nicht gesprochen ist. Notfalls, ist aus allen Parteien zu hören, werde es eben doch eine Zweierkoalition aus ÖVP und SPÖ.


Aber wie könnte die künftige Regierung aussehen? Zwei Posten sind jedenfalls besetzt. Aber wer soll unter einem Kanzler Christian Stocker und einem Vizekanzler Andreas Babler Ministerin oder Minister werden?


An die ÖVP sollen neben dem Kanzleramt die Agenden für Inneres, Verteidigung, Landwirtschaft, Wirtschaft sowie Familie und Jugend gehen. Die ersten drei dürften jeweils mit den bisherigen Ressortchefs Gerhard Karner, Klaudia Tanner und Norbert Totschnig besetzt werden. ÖVP-Staatssekretärin Claudia Plakolm soll zur Ministerin für Familie und Jugend aufsteigen. Als Kanzleramtsminister wird wiederum der schwarze Generalsekretär Alexander Pröll gehandelt.


Für das Wirtschaftsministerium kursieren derzeit noch mehrere Namen: Zunächst einmal jener von Wirtschaftskammer-Generalsekretär Wolfgang Hattmannsdorfer, der wohl die besten Karten haben dürfte. Aber auch Mariana Kühnel, Vizegeneralsekretärin der Wirtschaftskammer, und Steiermarks Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl werden genannt. Hattmannsdorfer, ist von Konservativen immer wieder zu hören, habe seinen neuen Job in der Wirtschaftskammer gerade erst begonnen – und er werde dort gebraucht. Womöglich wolle er nicht wechseln. Manche meinen: Wirtschaftskammer-General sei auch schlichtweg der bessere Job als Minister.


An die SPÖ dürften neben dem Vizekanzlerposten die Agenden für Finanzen, Infrastruktur, Soziales und Frauen fallen. Niederösterreichs Landeschef Sven Hergovich ist der Favorit für das Infrastrukturministerium, auch wenn das noch keine ausgemachte Sache sei, wie zu hören ist. Unterstützt wird Hergovich jedenfalls von der mächtigen Wiener Sozialdemokratin Doris Bures.


ÖGB-Vize Korinna Schumann dürfte für das Sozialressort die besten Karten haben. Die Frage ist, wie mit dem derzeit im Sozialministerium angesiedelten Bereich Gesundheit umgegangen wird. Herauslösen? Neu ordnen? SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner soll jedenfalls Ministerin für Frauen werden. Unter Umständen zusätzlich mit den Agenden für Medien und Kultur.


SPÖ bekommt Finanzressort

Für das mächtige Finanzministerium werden nach wie vor zahlreiche Namen gehandelt. In roten Verhandlerkreisen werden derzeit mehrere zuvor kaum kolportierte Namen genannt: etwa der Ökonom Markus Marterbauer, die ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Helene Schuberth und die Salzburger Nationalratsabgeordnete und Babler-Vertraute Michaela Schmidt. In mehreren Medien werden aber auch immer wieder der frühere ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und die ÖBB-Vorständin Silvia Angelo gehandelt. Der oft ins Spiel gebrachte Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke soll dem Vernehmen nach bereits abgewunken haben.


Die Neos dürften – sollte die Koalitionsbildung gelingen – wohl neben Außen- oder Justizressort das Bildungsministerium besetzen. Dafür gilt nach wie vor Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr als aussichtsreicher Kandidat – obwohl er als Spitzenkandidat in die Wien-Wahl Ende April ziehen soll. Jenes Ressort, das den Neos letzten Endes doch nicht zufällt, müsste dann wieder anderweitig verteilt werden. Oder die Neos sind gänzlich nicht dabei? Und so dreht sich das Postenkarussell noch.


Freitagabend, 20.52 Uhr, lassen ÖVP, SPÖ und Neos schließlich in einer gemeinsamen Stellungnahme wissen, dass die Gespräche am Samstag fortgesetzt werden. Um 13.00 Uhr soll der Bundespräsident über den aktuellen Stand der Gespräche informiert werden. Im Anschluss sind Pressestatements geplant.


Am Ende würde sich auch die Frage stellen, wie das Baby getauft wird. Schon vor Weihnachten sind für eine Dreiervariante zahlreiche Namen kursiert: Zuckerlkoalition, Austro-Ampel, Ömpel. Nichts davon gefällt den künftigen Koalitionären. Kurzfristig hatte es noch unter der Führung von Karl Nehammer die Überlegung gegeben, ob sich die Dreierkoalition “Austria 3” nennen könnte. Doch wenn man auf die Bezeichnung des Austropop-Trios zurückgreift – wer wäre dann das Pendant zu welchem Musiker? Oder wie ein Verhandler einst meinte: “Und wer ist dann der Tote?”


Vielleicht würde es inzwischen aber auch reichen, eine Koalition zu haben – wie auch immer sie sich zusammensetzt, ohne Etikett, im Zweifel namenlos. (Katharina Mittelstaedt, Sandra Schieder, 21.2.2025)


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