So schmuggelte eine Justizwachebeamtin Drogen und Handys für gutes Geld in einen Grazer Häfn

“Ich hatte alles immer an mir bzw. in meinem Uniformgewand”, sagte die Justizwachebeamtin aus. Vor Dienstantritt sei sie nicht kontrolliert worden.
Der Standard/Monika Köstinger

Am 25. Juli 2023 parkt eine 40-jährige Österreicherin ihren Ford am Rande von Graz. Sie steigt aus, marschiert in Jeansjacke über ihrem geblümten Sommerkleid und weißen Schlapfen in einen Handyshop – und verlässt ihn kurz darauf mit einem kleinen Papiersackerl in der Hand.


Was die Grazerin da noch nicht weiß: Sie wird gerade von der Polizei fotografiert, denn die Beamten observieren sie. Ermittler hören seit einiger Zeit sogar ihre Telefonate ab. Für die besagte Frau wird es immer enger.


Denn die Verdächtige ist Justizwachebeamtin. In dem Sackerl, so vermuten die Ermittler, sind wohl ein oder mehrere Handys. “Ah geh'”, wird sich da so mancher denken. Aber in diesen Minuten kommen die Polizeibeamten allmählich einem mutmaßlichen Gefängnisschmuggel riesigen Ausmaßes auf die Schliche.


Und bei Handys dürfte es dabei nicht geblieben sein – bei weitem nicht.


Cannabis, Kokain, Wodka

Die Österreicherin wird verdächtigt, zwischen Mai 2022 und Jänner 2024 neben etwa 71 Mobiltelefonen mindestens 500 Gramm Cannabis sowie 85 Gramm Kokain in ein Grazer Gefängnis geschmuggelt und an Insassen verkauft zu haben. Hinzu kommen vermutlich noch SIM-Karten, zwei Flaschen Belvedere-Wodka, Potenzmittel, Parfums, CDs, Kopfhörer, hunderte Gramm Proteinpulver. Damit soll die Beamtin zumindest rund 89.000 Euro verdient haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.


Das geht aus Ermittlungsakten hervor, die dem STANDARD vorliegen. Die Hauptverdächtige ist geständig. Mittlerweile liegt ein Abschlussbericht vor.


Aber wie war das alles überhaupt möglich?


Handschellen statt Routinekontrolle

Am 26. Jänner 2024 wird die Justizwachebeamtin in der Früh auf dem Weg zur Arbeit von der Polizei aufgehalten. Was sich für die Verdächtige zunächst wie eine Routinekontrolle anfühlt, endet für sie mit Handschellen. Die Beamten durchsuchen ihr Auto. In ihrer Handtasche finden sie drei Päckchen mit Marihuana, ein Handy sowie einen USB-Stick – alles jeweils in Klarsichtfolie verpackt. Aber die Polizei stellt auch eine Paysafecard sicher, eine Art Guthabenkonto für Onlinezahlungen.


Damit hatten Beamten schon einen großen Teil der Zutaten für den mutmaßlichen Schmuggel im Gefängnis beisammen.


“Ja, Postkasten geht”

Ein paar Ingredienzien aber fehlen noch: Ein mehrfach vorbestrafter Drogendealer aus Salzburg etwa, der die vermuteten “Geschäfte” der Justizwache als Strafhäftling teils mitorganisiert haben soll. Ein Jugendfreund der Beamtin außerhalb der Gefängnismauern, der laut den Ermittlungen Cannabis für Lieferungen gezüchtet haben dürfte. Und ein Postkasten an der Adresse des vermuteten Cannabiszüchters, in dem unbekannte Mittäter mutmaßlich Kokain speziell für einen Insassen hinterlegt hatten.


“Weißes?”, fragt die Justizwachebeamtin den besagten Häftling in Chats. “Ja”, antwortet der umgehend. “Sehr gefährlich für mich – für 20 g 1000 Euro.” Eine gute Woche später versichert die Beamtin: “Ja, Postkasten geht.” Nachrichten dieser Art gibt es im Ermittlungsakt im Überfluss.


Fixe Preise, “fast geschenkt”

Daraus geht auch hervor, dass es offenbar eine fixe Preisliste für den mutmaßlichen Schmuggel im Grazer Häfn gegeben haben dürfte: Im Durchschnitt sei ein Handy von der Justizwachebeamtin laut Ermittlungsakt für 800 Euro ins Gefängnis verschafft worden, Cannabis für 20 Euro pro Gramm. Unter Häftlingen gelten die Preise als “sehr billig”, “fast geschenkt”.


Die Bezahlung sei, so erzählt es die Beamtin später der Polizei, vorrangig über Guthaben-Codes erfolgt, mit denen Geld auf ein Onlinekonto der erwähnten Paysafecards geladen werden kann. Und wohl auch vereinzelt mittels Bargeldhinterlegungen über Außenkontakte im Postkasten.


In der Uniform versteckt

Aber wie gelangten Stoff und Handys ins Gefängnis? Offenbar sehr einfach: “Ich hatte alles immer an mir bzw. in meinem Uniformgewand”, erzählt die Beschuldigte in einer Polizeieinvernahme. “In den seitlichen Hosentaschen oder in den Brusttaschen meiner Dienstjacke.” Als Justizwachebeamtin werde sie vor Dienstantritt schlicht nicht kontrolliert.


Ein Fakt, der sich wohl nicht so bald ändern dürfte. “Das ist eine Sauerei”, betonte die ÖVP-nahe Justizwachegewerkschaft GÖD dazu schon einmal im STANDARD. Kolleginnen und Kollegen, die solche Geschäfte mit Insassen machen, seien fristlos zu entlassen, hieß es da. Kontrollen für Justizwachebeamte aber lehnt die Standesvertretung ab. Auch weil sich die Frage stelle: “Wer soll diese Kontrollen durchführen?”


Ein Ausreißer?

Und Daten des Justizministeriums legen nahe, dass es sich um ein überschaubares Phänomen handeln dürfte. Zwischen 2020 und 2024 wurden insgesamt elf Verfahren nach dem Suchtmittelgesetz bzw. wegen Amtsmissbrauchs gegen Justizwachebeamte eingeleitet – bei 3500 Beamten der 28 Justizanstalten. Auf die Frage nach Kontrollen geht das Ministerium nicht ein.

Aber Drogen in Haft haben definitiv Folgen: Innerhalb der letzten fünf Jahre starben laut Justizressort 26 Personen während ihrer Haftstrafe an einer Drogenüberdosis. Das passierte nicht ausschließlich in der Zelle, sondern auch in Spitälern oder im elektronisch überwachten Hausarrest.


Im Lackierkammerl “gebunkert”

Zurück in den Grazer Häfn. Die beschuldigte Justizwachebeamtin dürfte noch einen Vorteil gehabt haben: Die gelernte Malerin arbeitete hauptsächlich im Malereibetrieb des Gefängnisses. Dort sollen so gut wie alle Übergaben von Drogen stattgefunden haben, wie sie der Polizei erzählt. Auch deshalb, weil das Gras in der Tasche nicht “klingelt”, wenn die Häftlinge auf dem Rückweg in ihre Zelle durch zwei Sicherheitsschleusen müssen.


Im Lackierkammerl der Malerei wiederum sollen zwei Häftlinge Marihuana “gebunkert” haben, gab die Beamtin zu Protokoll.


Häftling vor Razzia gewarnt

In der Causa steht übrigens noch ein weiterer Justizwachebeamter im Fokus – zumindest indirekt. Der 33-jährige Kärntner soll nicht nur gewusst haben, dass ein Insasse ein illegales Smartphone besaß, sondern habe diesen, wie er vor der Polizei gestand, auch via Anruf und Instagram vor Razzien in seinem Haftraum gewarnt. Auch der mutmaßliche Handel mit Drogen und Handys eines möglichen Komplizen der Hauptverdächtigen soll dem Beamten bekannt gewesen sein. Gemeldet habe er die Straftat aber nicht.


Und wie ist all das aufgeflogen? Insassen haben die Justizwachebeamtin gemeldet. Einer davon will selbst eine Lieferung von drei Handys und Kokain in einer Zelle eines Haftkollegen “wahrgenommen” haben. Dieser Deal wird von Hauptverdächtigen auch so bestätigt.


Der Insasse namens “Media Markt”

Der mutmaßlich Belieferte sei im Gefängnistrakt “schon Saturn und Media Markt” genannt worden, erzählt der Hinweisgeber, “weil er zum Schluss schon so viele Handys in der Anstalt verkauft hat”.


Der bisher unbescholtenen, suspendierten Justizwachebeamtin drohen wegen der Vorwürfe nach dem Suchtmittelgesetz und des Amtsmissbrauchs eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.


“Ich nahm das Geld dafür, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren”, sagt die Beschuldigte zur Polizei. Die Justizwachebeamtin gab ein äußerst niedriges Gehalt zu Protokoll, das allein zu einem Drittel durch einen Kredit aufgefressen werde. Durch den mutmaßlichen Gefängnisschmuggel soll sich die gebürtige Grazerin ein gutes Zusatzeinkommen verschafft haben. (Jan Michael Marchart, 21.2.2025)


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