Ramadan an Schulen: Zwischen Nacheifern, Gruppendruck und Vorurteilen
Fastenzeit
An vielen Schulstandorten würden junge fastende Schüler zunehmend zum Problem, zeigte sich die Pflichtschullehrergewerkschaft Anfang der Woche alarmiert. Einzelfälle oder ein größeres Phänomen?

Der Ramadan gilt als heiliger Monat der Muslime. Er erinnert an die Zeit, in der dem Propheten Mohammed der Koran offenbart wurde. Für viele der über 700.000 Musliminnen und Muslime in Österreich bedeutet das im heurigen März: von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang fasten und danach beim “iftar”, dem Fastenbrechen, in der Familie zusammenkommen. Damit sollen Seele und Körper gereinigt und damit Allah und das Wesentliche im Leben bewusst gemacht werden, schreibt die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ).
Doch dieser besondere Monat sorgt seit Beginn der Woche für Schlagzeilen im Boulevard. Von “müden” und “unterzuckerten” Kindern ist die Rede, von Schülern, die beim Turnunterricht umkippen oder sich gegenseitig unter Druck setzen – auch wenn Kinder eigentlich vom Fasten explizit ausgenommen sind. Der Tenor: Der Ramadan hat die Schulen mittlerweile nicht nur im Griff, er stört das Gefüge im Schulalltag.
Steilvorlage für Politik
Ausgangspunkt war ein Interview am Montag im Ö1-Morgenjournal mit dem schwarzen Pflichtschullehrergewerkschafter Thomas Krebs, der sich ob der Entwicklungen besorgt zeigte. Bereits Sechsjährige würden fasten. Andere Kinder, die nicht mitzögen, würden ausgeschlossen werden. Die Eltern würden das sinngemäß hinnehmen und seien nicht einsichtig. Wenig überraschend schlug das Thema auch in der Politik auf: Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) hielt mit Blick auf das Fasten bei Kindern fest, dass “radikale Ansichten immer mehr Zuspruch” erhielten. Die FPÖ sah eine direkte Konsequenz “falscher Einwanderungspolitik der Einheitsparteien”.
Wie groß das Phänomen fastender Kinder tatsächlich ist, ist schwer zu fassen. Es werden dazu keine Zahlen erhoben. Auch die Bildungsdirektion Wien tut sich bei der Größeneinordnung schwer, viele Fälle seien an sie nicht rückgemeldet worden, heißt es auf STANDARD-Nachfrage. Werden hier Einzelfälle aufgeblasen? Oder ist tatsächlich mehr dahinter?
Mehr Volksschüler fasten
Fest steht: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit islamischem Glaubensbekenntnis ist in den vergangenen Jahren vor allem im städtischen Bereich gestiegen. In Wien sind rund ein Drittel in den Wiener Volksschulen Musliminnen und Muslime – sie bilden damit die zweitgrößte religiöse Gruppe hinter den Christen mit 37 Prozent. Angesichts dieser demografischen Gegebenheit ist es nicht verwunderlich, dass auch das Thema Ramadan mehr Einzug in den Schulen hält.
Dass die Kinder, die fasten, dabei jünger werden, sieht auch Hannes Grünbichler von der unabhängigen Gewerkschaftsfraktion Öli-UG. “Punktuell führt das zu Problemen”, sagt er im STANDARD-Gespräch. An gewissen Schulstandorten müsse etwa verstärkt im Turnunterricht aufgepasst werden, wenn die Kinder längere Zeit nichts gegessen oder getrunken hätten. Ein Grund für diese Entwicklung: Kinder wollten sich erwachsen fühlen und innerhalb der Gruppe imponieren, meint Grünbichler.
Eine maßgebliche Rolle kommt hier natürlich dem Elternhaus zu. Es wurden bereits Rufe nach Sanktionen laut, wenn Eltern ihre jungen Kinder nicht vom Fasten abhalten oder diese gar aktiv dabei unterstützen würden. Hier würden sich Eltern uneinsichtig zeigen, hielt Krebs am Montag fest. Von einer Uneinsichtigkeit ist dem Gewerkschaftskollegen Grünbichler allerdings nichts bekannt, der Bildungsdirektion Wien ebenso wenig.
Wie kommt Krebs also auf die Behauptung? Auf STANDARD-Nachfrage erklärt er, dass ihm Erstsprachenlehrkräfte rückgemeldet hätten, Eltern würden ihre Kinder unter Druck setzen. Auch könne er es sich nicht anders erklären, als dass das Fasten bei den Kindern vom Elternhaus ausgehe.
Eltern im Clinch mit Kindern
Mit der Realität in den meisten Elternhäusern, in denen der Ramadan begangen werde, habe das aber wenig zu tun. “Viel eher versuchen Eltern ihre Kinder auf das nächste Jahr zu vertrösten, weil sie noch zu jung sind”, sagt der Logopäde und Lehrer für Deutsch als Zweitsprache, Ali Dönmez. Dass Kinder freiwillig fasten möchten, sei für ihn jedoch verständlich. “Kinder spüren, dass das eine besondere Zeit ist. Sie wollen Teil davon sein, daher eifern sie den Eltern oder den Geschwistern nach.”
Eine gelebte Praxis beschreibt Dönmez mit dem Begriff “Kinderfasten”. Dies seien Abmachungen zwischen Kindern, die unbedingt fasten wollen, und ihren Eltern. Gefastet wird dabei in kurzen Zeiteinheiten, wie zum Beispiel zwischen Frühstück und großer Pause. Oder eben nur am Wochenende. Und immer mit dem Zusatz, dass Kinder jederzeit trinken und essen können. “Allerdings habe ich das Gefühl, dass sich Lehrkräfte wünschen, muslimische Eltern würden den Kindern grundsätzlich das Fasten verbieten”, sagt Dönmez.
Gruppendruck “immer da”
Auch eine Mittelschullehrerin im 20. Bezirk, die anonym bleiben möchte, wünscht sich für manche Lehrkräfte mehr Sensibilisierung. “Es gibt Kolleginnen, die meinen, den Ramadan abschätzig kommentieren zu müssen.” Probleme an ihrem Standort gebe es jedenfalls nur dann, wenn es Lehrkräfte dazu machten, obwohl doch etliche ihrer 13- und 14-jähriger Schüler fasten. Der Gruppendruck sei hier natürlich vorhanden, “doch diesen haben wir bei allen Themen in dem Alter.”
Was sie an der Diskussion am meisten stört: “Ich habe Fälle, wo hungrige Kinder Essen bei Mitschülern schnorren und wir ihnen klarmachen müssen, dass sie das nicht machen sollen.” Solche sozialen Probleme würden keinen Aufschrei auslösen, fastende Kinder allerdings schon. (Elisa Tomaselli, 12.3.2025)
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