“Allahs mächtige Influencer”: Das ideale Handbuch über die Gefahren der Tiktok-Islamisten
Buchrezension
Die beiden Journalisten Stefan Kaltenbrunner und Clemens Neuhold untersuchen in ihrem neuen Buch eindrücklich, wie der salafistische Islam unter Jugendlichen so populär werden konnte

Es ist das Handbuch der Stunde für all jene, die mit Jugendlichen arbeiten. Ob nun in der Schule oder in der Sozialarbeit. Aber auch für Medien und Politik bietet die Lektüre eine wichtige Orientierungshilfe. In Allahs mächtige Influencer nehmen die beiden Journalisten Stefan Kaltenbrunner und Clemens Neuhold ihre Leserinnen und Leser an die Hand, um sie durch die düstere Welt der Online-Salafisten zu führen, die ihrem jungen Publikum seit Jahren auf Tiktok und Co eine rigide Auslegung des Islam einimpfen.
Von der Häkelmütze zum Rapper-Double
Damit sind die islamistischen Influencer sehr erfolgreich. Sie haben Millionen Follower, werden wie Popstars gefeiert. In ihrem Buch untersuchen Kaltenbrunner und Neuhold die populärsten Köpfe der deutschsprachigen Salafistenszene und analysieren akribisch ihre gefährliche Taktik.
Die Autoren, die sich seit Jahren mit Islamismus und Extremismus beschäftigen, stellen zunächst die Salafisten der ersten Generation vor, die noch mit schwarzem Salafisten-Bart, in weißer Robe und Häkelmütze auftritt. Und hanteln sich dann weiter zu den jüngeren Islamisten, die als Rapper durchgehen können und in modernem Antlitz von einem Kalifat schwärmen. Also einem Staat, aufgebaut rein nach islamischem Recht.
Es sind mächtige Influencer, “die eine Parallelgesellschaft befördern, die vom liberalen Westen wegdriftet”, urteilen die Autoren. “Sie säen eine Saat, die als Terrorfantasie oder gar Anschlagsplan schon im Kinderzimmer aufgehen kann.” Tatsächlich spielt Tiktok bei den Terrorverdächtigen der jüngeren Vergangenheit in Österreich eine elementare Rolle. Die meisten unter ihnen bewegten sich auch in der salafistischen Online-Subkultur.
“Scharlatane und Betrüger”
Die Autoren hörten sich bei Islam-Gelehrten um, die vor den Tiktok-Predigern explizit warnen. Sie sprechen im Buch von “gefährlichem Halbwissen, falschen Interpretationen, von Scharlatanen und Betrügern sowie von einem rückwärtsgewandten Islam-Verständnis, das mit der Lebensrealität der Mehrheit der Muslime nichts zu tun habe”.
In dem Buch wird auch auf eine neuere Entwicklung eingegangen: den Hype ums Konvertieren. Hier rücken auf Tiktok seit einiger Zeit auch immer mehr Frauen in den Vordergrund. Etwa das deutsche Ex-Model Hanna Hansen, das ideologisch mit ihren Glaubensbrüdern fast deckungsgleich ist. Die Autoren beschreiben Hansen, die kürzlich beim “Schwestern Bazar” in Wien einen Gastauftritt hatte, als “Salafistin light”, die Homosexualität als Sünde betrachtet und gegen Frauen wettert, die ihr Kopftuch ablegen.
Frauen wie Hansen, die sich laut salafistischen Regeln vor allem im eigenen Haus aufhalten sollten, wurden zu wichtigen Missionarinnen, denen es leichter als den männlichen Predigern fällt, Frauen zu rekrutieren.
Die Versäumnisse
Kaltenbrunner und Neuhold nähern sich differenziert der Lebenswelt “potenziell Verführten” an. Und sie kritisieren, dass Politik, Medien und Islamverbände zu lange übersehen haben, welche Bedrohung mit dem Aufstieg des Online-Islamismus auf die Gesellschaft zukommt.
Wer wissen will, warum der salafistische Islam für viele Jugendliche quer durch alle Communitys so populär werden konnte und wie sich diese Welle möglicherweise bremsen lässt, wird in “Allahs mächtige Influencer” fündig. (Jan Michael Marchart, 15.3.2025)
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