Ein Beamter will die Flut an Volksbegehren beenden – mit einem Volksbegehren

Direkte Demokratie

Ein Niederösterreicher sieht den Boom der Initiativen kritisch und ortet ein Geschäftsmodell dahinter. Die neuen Regierungsparteien können sich eine Gesetzesnovelle vorstellen

Von 31. März bis 7. April können in Österreichs Gemeindeämtern drei Volksbegehren unterschrieben werden – das geht aber auch bequem per Smartphone von zu Hause aus.
APA/HELMUT FOHRINGER

Für Manuel Plöchl ist klar: In letzter Zeit gab es zu viele Volksbegehren. “Drei Personengruppen” seien nur daran interessiert gewesen, mit den direktdemokratischen Initiativen Geld zu verdienen. “Es waren oft dieselben, die die Volksbegehren eingeleitet haben”, sagt Plöchl zum STANDARD. Dem will der Niederösterreicher, der beim Gemeindeamt im niederösterreichischen Sankt Andrä-Wördern arbeitet, einen Riegel vorschieben. Und zwar mit einem eigenen Volksbegehren.


Konkret kritisiert Plöchl die Kostenrückerstattung. Diese steht Initiatorinnen zu, sobald ihr Volksbegehren die Marke von 100.000-Unterschriften überschreitet. Dann muss nicht nur der Nationalrat das Volksbegehren behandeln, sondern die Initiatoren bekommen vom Staat auch die Kosten für die Anmeldung der Initiative – rund 3400 Euro – in fünffacher Höhe zurück: also rund 17.000 Euro.


Populistische Forderungen

“Vielen ist es nur darum gegangen, mit unsinnigen, oftmals nicht umzusetzenden Forderungen rasch genügend Unterschriften zu haben. Das widerspricht dem Sinn des Volksbegehrens”, erklärt Plöchl. In seinem Volksbegehren fordert er daher, dass nur die rund 3400 Euro rückerstattet werden.


Er weist auch darauf hin, dass bei jedem Eintragungszeitraum – in dem eines oder mehrere Volksbegehren aufliegen – der Bund eine Pauschalentschädigung in der Höhe von 40 Cent pro Stimmberechtigten an die Gemeinden leisten müsse. Das ergebe jedes Mal mehr als 2,5 Millionen Euro an Steuergeld. Derzeit seien mindestens drei Eintragungszeiträume pro Jahr üblich.


Drei Volksbegehren liegen auf

Nicht nur Plöchls Volksbegehren kann von 31. März bis 7. April unterschrieben werden, sondern auch eines, das unter anderem die Senkung der Normverbrauchsabgabe beim Fahrzeugkauf und der Spritpreise fordert.


Ein weiteres will die ORF-Haushaltsabgabe abschaffen. Es stammt von Robert Marschall, dem Obmann der EU-Austrittspartei. Er ist eine jener Personen, denen Plöchl vorwirft, nur an der Kostenrückerstattung interessiert zu sein. Denn: Mehr als ein dutzend Volksbegehren hat Marschall seit 2020 eingeleitet, sieben davon waren erfolgreich. Marschall streitet ab, dass es ihm nur ums Geschäft gehe. Am erfolgreichsten war er mit Initiativen gegen Corona-Maßnahmen.


Boom seit 2018

Die Kritik am “Geschäftsmodell Volksbegehren” hat vor allem mit deren Boom zu tun. Seit 2018 kann man Volksbegehren auch bequem per Smartphone unterstützen und muss somit nicht extra aufs Amt. Das ließ die Zahlen steigen. Seit 2018 gab es insgesamt 67 Volksbegehren. Zum Vergleich: Seit der Einführung im Jahr 1964 bis 2017 waren es nur 39 Initiativen.


Die Entwicklung rief im vergangenen Jahr auch die schwarz-grüne Regierung auf den Plan, die laut darüber nachdachte, das Volksbegehrengesetz zu reformieren. Die Grünen wollten etwa nur noch jene Kosten zurückzahlen, die auch tatsächlich für das Sammeln von Unterschriften angefallen sind. Zu einer Reform kam es aber nie.


Im Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und Neos findet sich das Wort Volksbegehren kein einziges Mal. Generell spielt direkte Demokratie im Koalitionspapier kaum eine Rolle. Festgehalten wird nur, dass es ein “Zusammenspiel von repräsentativer und direkter Demokratie” geben müsse.


Regierung kann sich Reform vorstellen

Auf STANDARD-Anfrage, ob eine Reform der Volksbegehren im Raum stehe, spricht die ÖVP davon, dass das Innenministerium die weitere Entwicklung “genau beobachten” werde. “Die aktuellen Gebührensätze gingen noch von aufwendiger Drucksortenherstellung zur Bekanntmachung des Vorhabens aus. Heute hat sich dies allerdings in den digitalen Raum verlagert und ist damit wesentlich kostengünstiger.” In Zeiten der Budgetsanierung sei es Verpflichtung aller Behörden, sorgsam mit öffentlichen Geldern umzugehen.


Für die SPÖ ist vorstellbar, nur noch die tatsächlich angefallenen Kosten für Volksbegehren zurückzuzahlen. “Das wäre fair im Sinne der Steuerzahler und würde Volksbegehren auch nicht erschweren. Denn es soll keinesfalls dazu kommen, dass für die Einbringung von Volksbegehren irgendwelche neuen Hürden aufgestellt werden”, heißt es aus dem Parlamentsklub. Die Neos sind offen für Änderungen, betonen aber, dass es weiterhin einen “angemessenen Kostenersatz” brauche.

Wann eine Reform seitens der Regierung in die Wege geleitet werden könnte, beantwortet dem STANDARD keine der drei Parteien. Für eine Änderung des Volksbegehrengesetzes bräuchte es jedenfalls eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat – also neben den Stimmen von Schwarz-Rot-Pink auch zumindest jene von Grünen oder FPÖ.


Plöchl will an Hospiz spenden

Plöchl glaubt jedenfalls nicht daran, dass sein Volksbegehren die 100.000-Marke überspringen wird: “Das österreichische Volk ist sehr müde geworden, was Volksbegehren anbelangt. Ich hoffe aber natürlich auf einen Erfolg.” Sollte seine Initiative dennoch erfolgreich sein, will er seine Kostenrückerstattung dem Kinderhospiz Lichtblickhof im Bezirk St. Pölten spenden. (Max Stepan, 31.3.2025)


>read more at © Der Standard

Views: 0