Fast 30 Prozent weniger Parkplätze in Wien-Neubau seit dem Jahr 2019

Transformation

Weniger Verkehr habe man auch ohne Kameraüberwachung erreicht, sagt der grüne Bezirkschef Markus Reiter. Die verkehrsberuhigte Innenstadt dürfte erst in einigen Jahren Realität werden

In Wien-Neubau sind wegen Neugestaltungen von Straßen und Plätzen in den vergangenen Jahren zahlreiche Parkplätze weggefallen.
Standard

Rund 30 Prozent weniger Einfahrten in den ersten Wiener Bezirk. Um fast ein Viertel weniger benötigte Parkplätze, stattdessen mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer, mehr Grünflächen und unter dem Strich eine bessere Aufenthaltsqualität. Diese Ziele lassen sich laut der rot-pinken Wiener Stadtregierung mit Einfahrtsbeschränkungen für Autos in die City erreichen. Seit mehreren Jahren wird das Projekt einer verkehrsberuhigten Innenstadt verfolgt, die Überwachung der Einfahrten soll mittels eines Kamerasystems erfolgen.


Für die Umsetzung der Kameraüberwachung braucht es aber eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO), und diese ist noch ausständig. Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) hat angekündigt, dass eine solche frühestens mit 1. Jänner 2026 in Kraft treten könne. Die türkis-grüne Vorgänger-Bundesregierung hatte sich jahrelang nicht auf einen Entwurf einigen können.


Eine notwendige europaweite Ausschreibung für das Kamerasystem ist erst im kommenden Jahr möglich – gefolgt von der Installation des komplexen Systems inklusive Software. Eine Inbetriebnahme ist wohl frühestens Ende 2027 oder 2028 realistisch.

Auch ohne Kameras

Für großflächige Verkehrsberuhigung und eine Attraktivierung des öffentlichen Raums müsse die Stadtregierung aber nicht auf die Kameras warten, sagt Markus Reiter, der grüne Bezirksvorsteher von Wien-Neubau. Im Siebenten sei es durch die Umgestaltung von Straßen und Plätzen in den letzten Jahren gelungen, den Autoverkehr einzudämmen. Das Rezept, umgesetzt auch mit Unterstützung der Stadtregierung: weniger Platz für Autos, mehr für Radfahrer und Fußgänger, dazu Bäume, Grünflächen und Sitzgelegenheiten. Beispiele sind die Neubaugasse, Zollergasse oder zuletzt auch Bernardgasse. Die Neugestaltung der Mariahilfer Straße, ein grünes Prestigeprojekt, ist schon zehn Jahre alt.


Nach Angaben des Bezirks standen im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 noch rund 4800 Autostellplätze im öffentlichen Raum zur Verfügung, 2024 waren es 3400. Das ist eine Reduktion um fast 30 Prozent.


Rund 370 Parkplätze sind aktuell wegen großer Langzeitbaustellen, zum Beispiel für die U2-Verlängerung, nicht verfügbar. Bezirkschef Reiter hofft, dass ein Großteil dieser Stellplätze nicht nur temporär, sondern durch Umgestaltung auf Dauer wegfällt.


“Der U-Bahn-Ausbau innerhalb des Gürtels bietet eine historische Chance”, sagt Reiter dem STANDARD. “Die Stadt muss hier endlich groß denken.” Der Startschuss müsse jetzt fallen: Die neue Stadtregierung, die betroffenen Bezirke, die Anrainerinnen und Anrainer sowie die Wirtschaft müssten – auch abseits des ersten Bezirks mit der Kameraüberwachung – an Lösungen arbeiten.

Weniger Parkpickerl-Besitzer

Die Maßnahmen in Neubau werden auch in anderen Statistiken des Bezirks sichtbar: So ist die Zahl der Parkpickerl-Besitzer seit dem Jahr 2019 um fast ein Viertel zurückgegangen. Der Durchzugsverkehr und der Bestand an Pkws sind rückläufig. Dennoch gibt es noch rund 8000 Privat-Pkws und 1500 Firmen-Pkws im Bezirk, die irgendwo geparkt werden müssen. Die Bezirksvorstehung verweist auf mehr als 10.000 Garagenplätze, ein Drittel davon in gewerblichen und öffentlichen Garagen. In den letzten drei Jahren hätten mehr als 1000 vergünstigte Garagenplätze für Anrainerinnen und Anrainer vermittelt werden können.


“Einen Aufstand der Autofahrerinnen und Autofahrer hat es bisher nicht gegeben”, sagt Reiter. Der “Zeugnistag” im vergleichsweise kleinen Bezirk mit rund 31.500 Einwohnern, wo die Öko-Partei seit 2001 den Bezirkschef stellt, steht freilich noch aus: Am 27. April geht die Bezirksvertretungswahl über die Bühne.


2020 schafften die Grünen mit Reiter an der Spitze fast 45 Prozent im Bezirk, die SPÖ erreichte als Zweitplatzierte 21 Prozent. Bei der Gemeinderatswahl 2020 landeten die Grünen in Neubau hingegen hinter der SPÖ auf Platz zwei.


Raus aus dem Asphalt

Verkehrsberuhigung sowie die großflächige Entsiegelung und Begrünung von Straßen und Plätzen in ganz Wien heften sich auch die rot-pinke Stadtregierung auf ihre Fahnen. Im Zuge der Initiative “Raus aus dem Asphalt” wurden seit dem Jahr 2021 zahlreiche Klimawandelanpassungen gesetzt, konkret nennt die Stadt 320 Projekte.


Demnach wurden 74.000 Quadratmeter im Straßenraum und auf Plätzen begrünt, 3000 neue Bäume gepflanzt oder mehr als 2500 Sitzgelegenheiten errichtet. Beispiele für Umgestaltungen sind etwa die Praterstraße (wo auch eine Fahrspur für motorisierten Verkehr entfernt wurde), Reinprechtsdorfer Straße, Wiedner Hauptstraße, Argentinierstraße, Naschmarkt oder Wagramer Straße.


Keine Informationen gibt es aber darüber, wie viele Parkplätze im Rahmen der Initiative insgesamt weggefallen sind. Eine derartige Statistik gibt es nicht, heißt es kurz und knapp auf STANDARD-Anfrage aus dem Büro von Verkehrsstadträtin Sima. Was den ersten Bezirk betrifft, wurden zuletzt zahlreiche Stellplätze bei der Neugestaltung des Neuen Markts reduziert, auch Michaelerplatz und Petersplatz wurden umgebaut. Die Rotenturmstraße ist seit dem Jahr 2019 verkehrsberuhigt. (David Krutzler, 10.4.2025)


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